KW44

“Wasilla’s all I saw” – dieses wunderbare Palindrom krönte die Woche, in der so viele schlimme Sachen passierten: Menschen wurden überfallen, blieben im Zugklo (was für ein Wort!) stecken oder mussten ihr Dasein ohne Fernseher fristen. Andererseits gibt es noch Menschen, die ihre segensreichen Erfindungen mit der Welt teilen – oder auch sich selbst. In diesem Sinne: Happy Halloween!

Halloween

Mit freundlicher Unterstützung aus der Wundertüte, Anke, Stefan Niggemeier und Fraencko. Dänko! Spezialdank an Arnd fürs Bild.

Kino in der Liste (28)

Ein Mann und sein Baum - Das ist Heimatverbundenheit

Willkommen bei den Sch’tis! (Bienvenue chez les Ch’tis! F 07)

  • Plot in a nutshell: Postbeamter aus der Provence wird in das Horror-Departement Nord-pas-de-Calais versetzt. Dass da alle einen Sprachfehler, sprich Akzent, haben ist noch das kleinste Problem. Das Herz haben sie aber am rechten Fleck.
  • Dass sehr böse und überaus liebevoll zusammengeht, beweist Regisseur Danny Boon mit seiner Konsenskomödie.
  • Konsens ist hier ausnahmsweise mal nicht negativ gemeint.
  • Denn wer sich hier nicht wegschmeißt vor Lachen, ist kein Mensch.
  • Überhaupt stellt sich die Frage: Warum hat dieses Thema von regionalen Klischees noch keiner so aufgegriffen? Schließlich hat ja jedes Land seine Deppenlandstriche (Deutschland: Ostfriesland und Schwäbische Alb).
  • Größtes Lob verdient Beate Klöckner.
  • Die hat aus den Unübersetzbarkeit des Dialekt-Konflikts im Original eine Tugend gemacht und so etwas wie eine Kunstsprache geschaffen, die aber gar nicht künstlich daher kommt.
  • Über 20 Millionen Franzosen haben sich das angekuckt.
  • Da kommen jetzt sicher – und verdientermaßen – ein paar Millionen Deutsche dazu.
  • Und – oh Elend – bald auch Millionen Italiener und Amerikaner. Denn die Remakes (in den USA mit Will Smith!) sind schon beschlossene Sache.
  • Fazit: Komödie des Jahres – weil im Gegensatz zu “Burn after reading” richtige Menschen vorkommen. [Vielleicht verweichliche ich aber auch schon, weil ja bald Weihnachten ist]

Spunstkrache

Wortkarg

Heinemann: Hat Jürgen Walter auch was gesagt?
Grumbach: Ja.

Vorhin im Autoradio durfte ich einem Interview des Deutschlandfunks mit dem hessischen SPD-Vize Gernot Grumbach beiwohnen, in dem es um die eben beendete Krisensitzung der hessischen SPD-Fraktion ging. Selten habe ich einen wortkargeren Politiker gehört.

Der befragende Journalist, Christoph Heinemann, beendet das Gespräch dann auch mit den Worten: “Danke schön für dieses ausführliche Gespräch und auf Wiederhören.”, was mich in ein derart brüllendes Gelächter ausbrechen ließ, dass sich alle anderen Autos nach mir umdrehten.

[Die (den Duktus des Interviews nicht wirklich wiedergebende) Abschrift findet sich hier, der irre O-Ton da (MP3).]

Gestern im ICE

Obwohl es Hamburg-Heiner unter Androhung von Strafe verboten hat, mach ich’s trotzdem. Eine Bahnschnurre: Gestern im ICE also kam bei einer satten Geschwindigkeit von 212 km/h, mitten im Tunnel und Stunden nach dem letzten Halt doch tatsächlich die Durchsage des Lokführerers: „Meine Damen und Herren, soeben ist unser Brezelverkäufer zugestiegen.“ Am Blitzen der Blicke der Mitfahrer war zu erkennen, dass vor ihrem inneren Auge ein ähnlicher Film erschien, wie bei mir: Ein tollkühner Laugengebäckhändler, der von einer Brücke springend sich am Zug festkrallt um seine Backwaren an den Mann zu bringen. Welch Bond’esker Wagemut! Welch Draufgängertum! Wenn mein nächstes Kind ein Junge wird, steht deshalb seine Karriere schon fest. Und nicht etwa, so ein Scheiß wie “Eisverkäufer”, der stieg nämlich in Fulda zu. Ganz normal am Bahnhof. Eisverkäufer sind sooooo langweilig.

“Sie säen nicht. Sie ernten bloß.”

Erich Kästner vor knapp 80 Jahren über die Banker:

Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
und leihen es weiter zu zehn.

Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
(Das kann man verstehn, wie man will.)

Ihr Appetit ist bodenlos.
Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß.
Sie schwängern ihr eignes Geld.

Sie sind die Hexer in Person
und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Geld am Telefon
und Petroleum aus Sand.

Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den anderen die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.

Sie glauben den Regeln der Regeldetri
und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie.
Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie.
(Doch einmal macht jeder Bankrott!)

[via vabanque via Rainer Rilling via Tagesspiegel vom 8.10.2008]

“Sie säen nicht. Sie ernten bloß.”

Erich Kästner vor knapp 80 Jahren über die Banker:

Der kann sich freuen, der die nicht kennt!
Ihr fragt noch immer: Wen?
Sie borgen sich Geld für fünf Prozent
und leihen es weiter zu zehn.

Sie haben noch nie mit der Wimper gezuckt.
Ihr Herz stand noch niemals still.
Die Differenzen sind ihr Produkt.
(Das kann man verstehn, wie man will.)

Ihr Appetit ist bodenlos.
Sie fressen Gott und die Welt.
Sie säen nicht. Sie ernten bloß.
Sie schwängern ihr eignes Geld.

Sie sind die Hexer in Person
und zaubern aus hohler Hand.
Sie machen Geld am Telefon
und Petroleum aus Sand.

Das Geld wird flüssig. Das Geld wird knapp.
Sie machen das ganz nach Bedarf.
Und schneiden den anderen die Hälse ab.
Papier ist manchmal scharf.

Sie glauben den Regeln der Regeldetri
und glauben nicht recht an Gott.
Sie haben nur eine Sympathie.
Sie lieben das Geld. Und das Geld liebt sie.
(Doch einmal macht jeder Bankrott!)

[via vabanque via Rainer Rilling via Tagesspiegel vom 8.10.2008]

Kino in der Liste (27)

 Echte Erde

Krabat (D 08)

  • Plot in a nutshell: Armer Wandersbub wird zum Müllersbub und lässt sich auf eine dubiose Herrengesellschaft in abgeschiedener Mühle ein. Da steckt natürlich der Teufel drin und nur ein Mädel kanns richten.
  • Die Mär vom ahnungslosen Zauberlehrling hat Marcus Kreuzpaintner zum marktgängigen Fantasy-Drama glattgebürstet.
  • Dass der Autor Otfried Preußler das selbst als “anspruchsvolles und in sich stimmiges Ganzes” adelt darf aber nicht davon ablenken, dass
  • man Jungschauspielern noch so viel Dreck ins Gesicht schmieren kann, aber trotzdem kein erdiger Film rauskommt
  • digitale Tricktechnik auch gut eingesetzt werden will (albern zerhackte Kampfszenen, maue Rabenverwandlung)
  • bei Sätzen wie “Deine Zeit ist abgelaufen. Gegen Liebe hast du keinen Zauber” nicht nur zynische Pressevorschau-Journalisten lauthals lachen werden und
  • ein Otto Sander noch so raunig aus dem Off die Geschichte erzählen kann: Gruselig wird es zwar, aber nicht mit dem Krabat-Horror, der einen in der Jugend so fertig gemacht hat.
  • Fazit: Brave Jugendbuchklassiker-Verfilmung, der man aber etwas mehr Mut gewünscht hätte

Dreck