Das Internet vergisst nichts

Wenn ich mich hier gelegentlich über Spam ärgere, dann glaube ich nicht ernsthaft, dass sich dadurch irgend etwas ändert. Dass beispielsweise ein Spamversender sich meldet und sagt: “Oha, entschuldigen Sie bitte, wir wollten Sie nicht verärgern, sondern nur unser phantastisches Produkt auf phantasievolle Weise bewerben. Aber suchen Sie sich zum Ausgleich für den erlittenen Ärger doch irgendwas aus unserem Programm aus. Und entschuldigen Sie nochmals die Störung.”

So etwas passiert natürlich nie. Dennoch tut es gut, den Ärger aus- und den Spammer direkt anzuzusprechen. Ein manchmal unterschätzter Nebeneffekt davon: Nun steckt der Spammer namentlich im Internet. Und das kann unangenehm sein. Denn:

Das Internet vergisst nichts.

Einer, dem genau dies passierte, schrieb uns vor ein paar Tagen folgende Mail, die hier, weil um Vertraulichkeit gebeten wurde, anonymisiert wiedergegeben wird:

Hallo,

ich bitte Sie freundlichst um Löschung meines Namens bzw. des ganzen Beitrags auf der Seite von http://www.dia-blog.de/### unter der Überschrift “###”.

Der Vorgang passierte damals ohne meine Kennntis, mittlerweile bin ich nicht mehr für das Unternehmen tätig.

Bitte löschen Sie meinen Namen und gerne auch den ganzen Beitrag.

Sollte es Ihnen möglich sein, mir in dieser Angelegenheit zu helfen, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Ich bitte Sie zu diesem Vorgang um Vertraulichkeit.

“So eine freundliche Mail”, dachte ich spontan, und dann: “Huch! Der arme Kerl. Kann überhaupt nichts dafür und steht nun am Internet-Pranger. Das löschen wir dann gleich mal.” Dann las ich die Mail ein zweites Mal und überlegte, was wohl mit dem Satzteil “und gerne auch den ganzen Beitrag” gemeint sein könnte. Der Wunsch nach einer Namenslöschung war ja nachvollziehbar, aber wozu sollte ich gleich den ganzen Beitrag löschen? Daraufhin las ich ihn noch einmal und beschloss dann, nachzubohren:

Sehr geehrter Herr ###,

entschuldigen Sie die verzögerte Antwort, aber über Ihr Anliegen musste ich erst einmal gründlich nachdenken. Meine erste Reaktion war: “Naja, wenn der schon so höflich fragt, nehmen wir ihn einfach raus. Liest ja eh niemand mehr, den Beitrag von 200#.” Aber das stimmt natürlich nicht. Denn beim Ergoogeln Ihres Namens stößt man schon bei den ersten 10 Treffern auf den Blogbeitrag. Ich vermute mal, dass Ihnen das unangenehm ist und letztlich der Grund dafür, dass Sie sich gemeldet haben. […]

Dann las ich mir den Beitrag nochmal durch. Und ärgerte mich erneut über das Verhalten dieses Unternehmens, bei dem Sie ja nicht mehr tätig sind. Wir selber schätzen unsere Reichweite als Blog nicht sehr hoch ein. Wenn aber ein Unternehmen es trotzdem für nötig hält, dort Werbung für sich zu machen, dann müsste auch mit dem Ärger darüber offen umgegangen werden. Selbst wenn hier irgendeine Praktikantin übers Ziel hinausgeschossen wäre, sollten die Verantwortlichen (zu denen Sie damals ja gehörten) dies zum einen wissen oder wenigstens entsprechende Kontrollmechanismen eingebaut haben, und zum anderen spätestens dann reagieren, wenn jemand öffentlich sein Unbehagen über dieses Vorgehen äußert.

All das geschah offenbar nicht: […] es gab keine Entschuldigung oder Erklärung. Es interessierte niemanden.

Heute interessieren Sie sich dafür, dass Ihr Name aus diesem Zusammenhang gelöscht wird, offensichtlich, weil es Ihnen unangenehm ist. Aber auch jetzt äußern Sie sich nicht zu der Sache. Nur ein lapidares “Der Vorgang passierte damals ohne meine Kennntis, mittlerweile bin ich nicht mehr für das Unternehmen tätig.” ist meiner Meinung nach ein bisschen wenig. Ist Ihnen das Verhalten des Unternehmens unangenehm oder nur, dass Sie dafür kritisiert wurden?

Vielleicht können Sie mir wenigstens jetzt erklären, was davon zutrifft, vor allem aber eine Frage:
Warum sollte ich Ihrer Meinung nach den Beitrag nachträglich ändern?

Frage 1: Was würdet ihr als Ex-Spammer und jetzt um eure Karriere Besorgter auf eine solche Mail antworten?

Folgendes kam zurück:

danke für Ihre Antwort. Ich hatte es vorher sogar selbst mit einem Brief an Ihre Postadresse versucht, dieser kam aber unzustellbar zurück. Der Text im Brief und in der Mail waren aber identisch.

Ich habe damals tatsächlich eine Entschuldigung veranlaßt, da mir (auch persönlich) die Aktion tatsächlich unangenehm war. Offensichtlich hat dieses Schreiben Sie nicht erreicht. Warum das nicht ankam, kann ich nun aber nicht mehr herleiten.

Heute bitte ich zumindest um Löschung meines Namens. Den sonstigen Beitrag können Sie gerne drin lassen.

Frage 2: Wie hört sich das für euch an?
Frage 3: Was würdet ihr jetzt tun?

7 Gedanken zu „Das Internet vergisst nichts

  1. …was zahlt er denn, falls du seinen Namen entfernst? ;-)
    Ernsthaft betrachtet, ich meine, wer spamt, sollte hinterher selbst dafür sorgen, dass es zu seinem Namen andere Einträge bei Google auf der Startseite gibt, als diesen mit dem Spamhinweis.

  2. @juf: Letzteres hat sich stets als guter Tipp erwiesen.
    @Ute: Das ist ein guter Einwand. Eine Art kategorischer Imperativ des Internets: “Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde und in Google ganz oben stehen darf.” Ich werde das so mal weitergeben.

  3. Pingback: Wenn Blogger einfach nur bloggen | Abzocknews

  4. Pingback: Hallo Christian « Dia-Blog

  5. Ich hatte auch einen ähnlichen Fall, bei mir gings aber nur um eine Verlinkung auf einen Beitrag über den über einen unangenehmen Vorgang berichtet wurde. Da allerdings der Ursprungspost gelöscht wurde und der Blogger das auch nachvolllziehbar erklärte, habe ich den Link gelöscht.

    In diesem Fall würde ich den Namen löschen, den Beitrag aber stehen lassen. So ganz überzeugt mich die Antwort natürlich nicht, aber ich würde damit besser leben. So persönlich.
    Ad Astra

  6. Ich hatte auch einen ähnlichen Fall, bei mir gings aber nur um eine Verlinkung auf einen Beitrag über den über einen unangenehmen Vorgang berichtet wurde. Da allerdings der Ursprungspost gelöscht wurde und der Blogger das auch nachvolllziehbar erklärte, habe ich den Link gelöscht.

    In diesem Fall würde ich den Namen löschen, den Beitrag aber stehen lassen. So ganz überzeugt mich die Antwort natürlich nicht, aber ich würde damit besser leben. So persönlich.
    Ad Astra

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.