Lügenbeutel

Man soll ja mit der Zeit gehen. Und die ist KI-geschwängert. Allüberall lauern intelligente Chatbots, Expertensysteme, LLMs und sogar die Bundesregierung dreppelt schon. Aber was ist eigentlich “Künstliche Intelligenz”? Laut Teslers Theorem ist Intelligenz “das, was Maschinen noch nicht gemacht haben”. Womit KI paradoxerweise gar nicht möglich wäre.

Aber wir wollten ja mit der Zeit gehen. “Wer nicht mit der Zeit geht, wird mit der Zeit gehen”, sagt das Sprichwort. Also besorge ich mir einen ChatGPT-Account und lasse mir bei der Arbeit helfen. Das Progrämmchen kann 1a Texte zusammenfassen, brainstormen und sogar Gedichte im Stil von irgendwem verfassen (außer Robert Gernhardt).

Typischer ChatGPT-Dialog mit Frage und Antwort

Aber KI kann auch lügen. Ohne mit der Wimper zu zucken.

Ich: Was weißt du über Mössingen?

ChatGPT: Mössingen ist eine Stadt in Deutschland, genauer gesagt im Bundesland Baden-Württemberg. Hier sind einige allgemeine Informationen über Mössingen.

Es folgt allgemeines Blabla, das praktisch für jede Stadt in Deutschland gilt (“Die Stadt hat eine reiche historische Vergangenheit”, “Mössingen ist gut an das Verkehrsnetz angeschlossen”, “Die Stadt hat ein aktives kulturelles Leben”).

Aber dann wird es interessant, denn das Programm beginnt plötzlich, ohne Not zu lügen.

ChatGPT: Mössingen und seine Umgebung bieten eine Vielzahl von Sehenswürdigkeiten und Freizeitmöglichkeiten. Dazu gehören unter anderem der Mössinger Stadtpark, das Wandelhaus (ein historisches Gebäude), und die malerische Umgebung des Schwäbischen Alb.

Abgesehen davon, dass es “der Schwäbischen Alb” heißen müsste, werde ich jetzt ernsthaft neugierig. Wir haben einen Stadtpark? Und ein historisches Gebäude, das “Wandelhaus” heißt? Warum weiß ich davon nichts? Ok, wir wohnen erst seit 19 Jahren hier, da kann man sowas schon mal übersehen.

Ich: Seit wann gibt es den Mössinger Stadtpark?

ChatGPT: Der Mössinger Stadtpark, auch bekannt als “Wilhelm-Keil-Anlage”, wurde im Jahr 1906 eröffnet. Dieser Park ist seit über einem Jahrhundert ein beliebter Ort der Erholung und Entspannung für die Bewohner von Mössingen und Besucher der Stadt. Der Park wurde nach Wilhelm Keil benannt, einem damaligen Bürgermeister von Mössingen, der sich um die Anlage dieses Parks verdient gemacht hat. Der Stadtpark bietet Grünflächen, Wege, Bänke und einen Teich und dient als Ort für Freizeitaktivitäten und Erholung inmitten der Stadt.

Leider war Wilhelm Keil nie Bürgermeister von Mössingen. Und eine “Wilhelm-Keil-Anlage” gibt es zwar im hessischen Helsa, aber nicht bei uns. Schade eigentlich. Aber vielleicht gibt es wenigstens das Wandelhaus?

Ich: Was ist das Wandelhaus in Mössingen?

ChatGPT: Das Wandelhaus in Mössingen ist ein historisches Gebäude und eine kulturelle Einrichtung. Es befindet sich in der Stadt Mössingen im Bundesland Baden-Württemberg, Deutschland. Das Gebäude hat eine lange Geschichte und diente früher als Wohnhaus. Das Wandelhaus ist jedoch nicht nur ein altes Gebäude, sondern auch ein kultureller Treffpunkt für verschiedene Aktivitäten und Veranstaltungen. In der Regel werden dort Ausstellungen, Konzerte, Lesungen, Vorträge und andere kulturelle Veranstaltungen organisiert. Es ist ein Ort, an dem die Gemeinschaft zusammenkommt, um Kunst, Kultur und Bildung zu genießen.

Im Ernst? Wir haben ein Kino, eine Kulturscheune, das Alte Rathaus, das Rechenmacherhaus, die historische Messerschmiede und das Industriedenkmal Pausa. Aber meines Wissens leider kein Wandelhaus. Ich frage vorsichtshalber nach:

Ich: Wo ist das Wandelhaus in Mössingen?

ChatGPT: Das Wandelhaus in Mössingen befindet sich in der Wilhelm-Keil-Anlage im Zentrum der Stadt. Die genaue Adresse lautet:
Wandelhaus Mössingen
Wilhelm-Keil-Anlage 21
72116 Mössingen
Deutschland
Es liegt in unmittelbarer Nähe des Stadtkerns und ist normalerweise gut zu Fuß oder mit dem Auto erreichbar.

Ich glaube, jetzt muss ich mal dagegenhalten.

Ich: In Mössingen gibt es kein Wandelhaus und keine Wilhelm-Keil-Anlage.

ChatGPT: Es tut mir leid, wenn meine vorherige Antwort ungenau war. Wenn es in Mössingen kein Wandelhaus und keine Wilhelm-Keil-Anlage gibt, dann war meine Information falsch. Ich entschuldige mich für die Verwirrung.

Na also, geht doch.
Aber – hat die KI das jetzt auch kapiert?

Ich: Gibt es in Mössingen ein Wandelhaus?

ChatGPT: Es tut mir leid für die früheren Verwirrungen. In Mössingen gibt es tatsächlich ein Gebäude namens “Wandelhaus”. Das Wandelhaus in Mössingen ist ein historisches Gebäude und ein Kulturzentrum. Es befindet sich in der Wilhelm-Keil-Anlage, die sich im Zentrum der Stadt Mössingen in Baden-Württemberg, Deutschland, befindet.

So I ist die K anscheinend doch nicht. Vielleicht muss ich nochmal insistieren.

Ich: In Mössingen gibt es kein Wandelhaus und keine Wilhelm-Keil-Anlage.

ChatGPT: Ich entschuldige mich für die wiederholte Unrichtigkeit in meiner vorherigen Antwort. Wenn es in Mössingen tatsächlich kein Wandelhaus und keine Wilhelm-Keil-Anlage gibt, dann war meine vorherige Information falsch.

Das Spiel können wir jetzt immer weitermachen. Oder?

Ich: Wie sicher bist du, dass es in Mössingen ein Wandelhaus gibt?

ChatGPT: Ich möchte mich für die wiederholten falschen Informationen in meinen vorherigen Antworten entschuldigen. Ich habe in der Tat keine direkten Informationen über ein Wandelhaus in Mössingen und kann daher nicht sicher sein, dass es eine solche Einrichtung dort gibt. Es scheint, dass es sich um eine falsche Information handelte.

Aha, die KI lenkt ein.

Ich: Und Wilhelm Keil?

ChatGPT: Ich entschuldige mich erneut für die Verwirrung in meinen vorherigen Antworten. Ich habe keine Informationen über eine Person namens Wilhelm Keil in Bezug auf Mössingen oder das Wandelhaus gefunden. Es scheint, dass die vorherigen Informationen falsch waren. Es tut mir leid für die Missverständnisse.

Das finde ich nun bei aller Höflichkeit wieder ein bisschen frech. Soll das heißen, ich sei daran schuld und hätte die KI nur falsch verstanden?

Ich: Eine Lüge ist kein Missverständnis.

ChatGPT: Sie haben absolut recht, und ich entschuldige mich für die falschen Informationen in meinen vorherigen Antworten. Eine Lüge ist keine Form des Missverständnisses, sondern eine bewusste falsche Darstellung von Fakten. Es war mein Fehler, falsche Informationen bereitzustellen, und ich danke Ihnen für die Korrektur.

Na also.

Ich: Was ist ein Lügenbeutel?

ChatGPT: Der Ausdruck “Lügenbeutel” ist umgangssprachlich und hat keine feste Bedeutung in der Standard- oder Fachsprache. In informellen Gesprächen kann er jedoch verwendet werden, um eine Person zu bezeichnen, die häufig lügt oder betrügerisch handelt. Es handelt sich um eine abwertende Bezeichnung für jemanden, der als unehrlich oder unzuverlässig angesehen wird.

Ich: Würdest du dich als Lügenbeutel bezeichnen?

ChatGPT: Nein, ich bin kein Lügenbeutel. Ich bin ein computerbasiertes Programm, das darauf ausgelegt ist, genaue und verlässliche Informationen bereitzustellen. Wenn ich einmal falsche Informationen bereitstelle, geschieht dies aufgrund von Missverständnissen oder Fehlern in meinen Datenquellen.

Trotzdem …
Zur Sicherheit noch eine letzte Kontrollfrage:

Ich: Wer war dann Wilhelm Keil?

ChatGPT: Wilhelm Keil war ein deutscher Journalist, Schriftsteller und Sozialist des 19. Jahrhunderts. Er wurde am 13. Februar 1812 in Lauterbach, Hessen, geboren, und verstarb am 17. März 1888 in Mössingen, Baden-Württemberg. Wilhelm Keil war eine bedeutende Figur in der deutschen sozialistischen Bewegung und ein Verfechter der Arbeiterrechte und der sozialen Gerechtigkeit.
Eine bemerkenswerte Leistung von Wilhelm Keil war die Gründung und Herausgabe der sozialistischen Zeitung “Der Volksstaat,” die von 1862 bis 1876 in Leipzig veröffentlicht wurde. Diese Zeitung hatte einen erheblichen Einfluss auf die sozialistische Bewegung in Deutschland und war eine wichtige Stimme für die Verbreitung sozialistischer Ideen.
Wilhelm Keil zog später nach Mössingen, wo er weiterhin soziale und politische Aktivitäten verfolgte. In Mössingen wird er als eine historische Persönlichkeit verehrt, und es gibt Straßen und Denkmäler, die an seine Beiträge zur sozialen Bewegung erinnern.

Da ist jetzt so offensichtlich nahezu alles gelogen. Wilhelm Keil wurde nicht 1812 in Lauterbach geboren, sondern 1870 in Helsa. Er starb nicht 1888 in Mössingen, sondern 1968 in Ludwigsburg. Er gab auch nicht den “Volksstaat” heraus, der auch keineswegs von 1862 bis 1876, sondern von 1869 bis 1876 in Leipzig (das immerhin war richtig!) erschien. Wilhelm-Keil-Straßen oder -Denkmäler gibt es in Mössingen nicht und auch eine Verehrung halte ich für eher unwahrscheinlich.

Ich: Wie kann Wilhelm Keil 1888 in Mössingen gestorben und trotzdem 1906 Bürgermeister von Mössingen gewesen sein? Hatte er eine Zeitmaschine?

ChatGPT: Es tut mir leid, aber ich habe mich offensichtlich in meinen vorherigen Antworten verwirrt. Die Informationen, die ich gegeben habe, sind widersprüchlich und inkorrekt. Ich entschuldige mich aufrichtig für diese Fehler. Wilhelm Keil war kein Bürgermeister von Mössingen, und es gibt keine Hinweise auf eine Zeitreise. Nochmals Entschuldigung für die Verwirrung.

Ich: Schon ok. Irren ist menschlich.

ChatGPT: Vielen Dank für Ihr Verständnis. Sie haben absolut recht, Irrtümer können jedem passieren, und es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen und die Richtigstellungen anzuerkennen.

Ich: Ich bin trotzdem ein bisschen angepisst.

ChatGPT: Ich verstehe Ihre Frustration, und ich entschuldige mich erneut für die Verwirrung und die falschen Informationen in meinen vorherigen Antworten.

Bei aller Lügenhaftigkeit: Das Kerlchen bleibt immer höflich. Ich hoffe, sie arbeiten auch daran noch.

Gelesen: Sommersprossen auf den Knien

Titelbild des Buches "Sommersprossen auf den Knien": Ein rothaariges Mädchen saust auf dem Fahrrad vorbeiK2 (6) braucht neuen Lesestoff. “Die Schule der magischen Tiere” samt angebauten Reihen ist schon so gut wie durch und die Klassiker sowieso. Da springt mir beim Durchsehen des Regals ein Buch in die Hände, das ich noch nie zuvor gesehen habe. Auch K1 (15) und Mutter wissen von nichts. Das Buch muss uns irgendwer irgendwann geschenkt haben. Dann muss es ungelesen vom Gabentisch ins Regal gewandert sein. Oder ein Wichtel hat es hier heimlich, still und leise abgestellt. Das ist sehr viel wahrscheinlicher. Denn wer dieses Buch verschenkt, tut dies mit ausgewählten Superlativen.

Aber fangen wir mit dem einzigen Kritikpunkt an: Warum das Buch “Sommersprossen auf den Knien” heißt, soll das Geheimnis des deutschen Verlags bleiben. “Tonje Glimmerdal” wäre der richtige Titel, denn so heißt unsere Heldin, der kleine Wirbelwird vom Glimmerdal. In diesem norwegischen Tal wohnt die Neunjährige. Als einziges Kind hat sie es dort nur mit Erwachsenen zu tun: Den kinderhassenden Campingplatzbesitzer Klaus Hagen, ihren manchmal etwas (weil die Mama meist in Grönland arbeitet) überforderten Papa, die neugierige Sally, die Tanten Idun und Eir – und Tonjes bester Freund und Patenonkel, der alte Gunnvald. In diesem Frühling vor ihrem 10. Geburtstag lässt Tonje nichts aus, was ein Kind in einem abgelegenen norwegischen Tal erleben kann: spektakuläre Rennrodelstunts, aus dem Nichts auftauchende neue Freunde, Lämmergeburten und ein 30 Jahre altes Familiengeheimnis.

Maria Parr erzählt weich, witzig und präzise zugleich, was Freundschaft bedeutet, dass Menschen Fehler haben und trotzdem geliebt werden können, dass Musik manchmal die besseren Worte findet und wie mächtig und wunderschön die Natur ist. Richtig gute Kinderliteratur macht beim Vorlesen Kinder *und* Erwachsene glücklich, weil beide gleichzeitig, aber auf verschiedenen Wegen in eine andere Welt mitgenommen werden. Aber dieses Buch können Erwachsene auch ohne Kinder lesen.

Wer auch immer uns dieses Buch geschenkt hat: Mein und K2s tiefster Dank!

Willkommen zurück!

Neulich gab es auf Twitter einen Anlass zum Sichfreuen.

Frédéric Valin ist wieder in Bloggersdorf eingezogen und schreibt dort abwechselnd über seinen Pflegealltag und Allgäuer Landjugendgeschichten, aber nicht über Fußball. Folgt ihm, lest ihn, kauft seine Bücher!

Falls ihr euch beim Durchstöbern der Links wundert, dass Frédéric immer auf der Straße sitzt und einen Hut auf hat: Das ist halt so. Schon als ich ihn vor gut zehn Jahren zum vierten Letz niest in Tübingen abholte, saß er auf der Straße und hatte einen Hut auf.

Kid-Cuts (65) – Pixis

Titel des Pixie-Büchleins "Berta, die Baggerfahrerin"Nein, heute geht es nicht um Musik, sondern um ein Phänomen, das Kinder lieben, Eltern in den Wahnsinn treibt und Verlage eine “Cashcow” nennen: Pixi-Bücher. Wer mit einem Kind eine Buchhandlung betritt, kommt immer mit einem Euro weniger und einem Pixi mehr nach Hause. Nach Heimkunft muss das Neumitglied noch am selben Tag zwanzigmal vorgelesen werden. Später wird es dann sogleich zum lieblingsten Lieblingsbuch aller Zeiten oder es bleibt solange unbeachtet rumliegen, bis es ins Altpapier portiert wird, wo es der Sprössling postwendend herausfischt und tränenreich versichert, dass gerade dieses Pixi noch dringend benötigt wird. Manche Pixis können Eltern morgens um vier im Halbschlaf rezitieren, andere werden intensiv gehasst. Conny-Pixis stehen hier weit oben auf der Liste. Aber es gibt auch pädagogisch wertvolle und sogar liebevoll gemachte Pixis. Pixi Nummer 1469 gehört weder in die eine noch in die andere Kategorie.

Vermeintlich emanzipatorisch will das Pixi “Berta, die Baggerfahrerin” den Kindern beibringen, dass Frauen auch Männerberufe ergreifen können. Wie schafft Berta das? Sie kauft sich einen Bagger und fährt damit so lange durch die Stadt, bis sie bei Peter Buddels Baugeschäft landet. Der erfolglose Bauunternehmer hat in Pisa den Turm schief gebuddelt und in Holland alles unter Wasser gesetzt. Darum hat er keine Aufträge und kann Berta auch keinen Job anbieten. Da wird Berta aktiv und buddelt mit ihrem Bagger ein riesiges Loch in die Stadt, das nach drei Tagen Baggern zum größten Spielzimmer der Welt wird. Jetzt kommen viele Kinder zum Spielen und Aufträge gibt es auch. Und das Unternehmen heißt “Berta & Buddel GmbH”.

Berta, die Baggerfahrerin - Innenteil: Laut Text kauft Berta einen großen, gelben Bagger. Daneben abgebildet ist ein kleiner, roter Bagger.

Nochmal kurz zusammengefasst: Um an dem Männerberuf “Baggerfahrer” partipieren zu dürfen, erwirbt Berta zunächst das Produktionsmittel mit Eigenkapital. Laut Text ist das ein großer, gelber Bagger. Laut Bild ist es ein kleiner, roter. (Lieber Carlsen-Verlag: Lasst künftig bitte irgendein Kind korrekturlesen. Denn jedes Kind kann rot und gelb unterscheiden.) Aber sie versucht jetzt nicht etwa, selbst an Aufträge zu kommen, sondern sieht ihre Chance darin, sich beim hinterletzten, erfolglosen Bauunternehmer zu bewerben. Wer sonst würde eine Frau nehmen? Dann gräbt sie – ohne Genehmigung natürlich – die halbe Innenstadt um. Dabei baut sie – natürlich, sie ist ja eine Frau! – einen Spielplatz. Einen Helm hat sie – im Gegensatz zu Buddel – selbstverständlich nicht auf. Die Frisur! Den großen, gelben Bagger fährt übrigens Peter Buddel. Große, gelbe Bagger sind halt eher was für Männer.

Heilige Scheiße, ging das daneben!

Altpapier

Irgendwann sind sie dran: Die Bücher, die man bei jedem Umzug im Leben in irgendeinen Karton gesteckt hat, um sie später nochmal zu lesen. Oder aus Sentimentalität. Oder weil man Bücher generell nicht wegwirft. Aber weil man in diesem Leben garantiert kein größeres Haus mehr beziehen wird und auch die Scheune schon voll ist: Die. Fliegen. Jetzt. Raus. Doch manches Buch wird tatsächlich nochmal gelesen. Wie dieses hier:

Titelbild des Buchs "Agaton Sax der Meisterdetektiv"Man sieht schon am äußeren Zustand, wie oft es gelesen wurde. Wir hatten ja nichts, da wurde jedes Buch mehrfach konsumiert. Und speziell dieses ist natürlich grandios. Agaton Sax ist Chefredakteur der kleinsten Zeitung Schwedens, der “Byköpingpost”. Nebenbei allerdings ist er einer der scharfsinnigsten Superdetektive weltweit, vor dem auch international gesuchte Verbrecher wie Anaxagoras Frank (Vorsitzender der Liga für lautlosen Sprengstoff) zittern.

Agaton Sax ist nicht nur Meister der Verkleidung, sondern auch ein bauchrednerisch begabtes Sprachgenie, das unter anderem fließend Grälisch spricht. Die schwerste Sprache der Welt wird nur noch von ganz wenigen Menschen gesprochen. Und zwei davon sitzen ganz zufällig im selben Zugabteil wie Agaton Sax, der in seinem Urlaub von Brosnien nach Merzegowina fährt. Und entpuppen sich als gefährliche Banknotenfälscher. Unerhört! Zum Glück hat der phänomenale Detektiv seinen unglaublich klugen Dackel Tickie bei sich und Tante Tilda hält die Stellung zuhause in Byköping und rätselt per Telegramm an Agaton Sax, ob sie besser Trinatriumdormatolhypnoformatolinsalicyl oder Pernatriumhypomentalcalciumformatolin zum Einschlafen nehmen soll.

Fertig gelesen. Weg. Altpapier.

Lies mal wieder. Zum Beispiel Dürrenmatt.

100 Jahre wäre Friedrich Dürrenmatt heute geworden. Seine Welterfolge “Der Besuch der alten Dame” und “Die Physiker” sind nicht nur in schulischen Theateraufführungen Dauerbrenner. Auch seine Dramentheorie, die die Tragikomödie und die Groteske nutzt, um den Zuschauer zum Nachdenken zu bringen, wirkt sich bis heute auf die Theaterpraxis aus und lässt sich auch in modernen Fernsehserien als “Dramedy” wiederentdecken. Was mir aber schon früh in die Hände fiel und nachhaltig beeindruckte, waren die Romane und Erzählungen Dürrenmatts. Heute also eine gute Gelegenheit, ein paar alte Bücher dringend zu empfehlen und wieder zu lesen.
Phantastisch dicht und unter die Haut gehend ist zum Beispiel Dürrenmatts Roman “Das Versprechen”. Der Plot ist auch Grundlage für den Film “Es geschah am hellichten Tag” mit Heinz Rühmann und Gert Fröbe. Der Kriminalroman “Der Richter und sein Henker” verdreht auf raffinierte Weise die Idee des Genres. Auch hier kommt der Held richtig ermittelnd zum falschen und falsch ermittelnd zum richtigen Ergebnis. Ebenfalls weit über den Krimi hinaus reicht “Der Verdacht”, in dem es auch um die sehr persönlich geführten Ermittlungen des Kommissars geht, aber noch viel mehr um die Person des Verbrechers und das Böse an sich.
Auf Wiederlesen!

Reporterpreis 2020

Jonas Schaible schreibt unter anderem für den SPIEGEL, für T-Online und auch sonst noch hier und vor allem da. Sein Blog “Beim Wort genommen” hat er leider eingestellt. Bei mir steht er schon länger auf der Liste für “Das Letz niest”. Glück gehabt, Jonas, dass wir seit 2012 keine Fortsetzung mehr geschafft haben! Sein für T-Online geschriebener Essay “Wer von Ökodiktatur spricht, hat das Problem nicht verstanden” erhielt jetzt den renommierten Deutschen Reporterpreis 2020. Darum:
Lesebefehl
Folgebefehl