Beschwerden

Manchmal investiere ich viel Zeit in die Verbesserung anderer Unternehmen. Warum, weiß ich auch nicht so recht. Vermutlich habe ich die Hoffnung, es nützt. Die Erfahrung lehrt indes etwas anderes.
Zum Verständnis kurz die Vorgeschichte: Wir sind als Werbeagentur Kunde bei einem Hosting-Provider. Der schaltete eines Montagmorgens die Domain eines unserer Kunden ab. Nach längerem Hin und Her stellte sich heraus, dass wegen einiger Logdateien dort zu viel Traffic produziert wurde und dadurch die Performance anderer Kunden auf dem Server litt. Da wir auf die Logdateien nicht verzichten konnten, bot sich die Lösung an, auf ein anderes Serverpaket abzugraden, auf dem wir solo laufen würden. Um schnell wieder eine lauffähige Domain herzustellen, klemmten wir die Logdateien ab und beauftragten das Upgrade. Dieses wurde auf einen Server hochgespielt, dessen Hardware defekt war. Wodurch zwei weitere Domains ausfielen. Dieser Fehler wurde erst nach langem Hin und Her und Warterei und Mailwechseln und Telefonaten behoben. Insgesamt zog sich das ganze Verfahren über drei Tage hin, die betreffende Domain war in dieser Zeit mindestens 24 Stunden lang tot, dazu kam, dass in dieser Zeit auch der Mailverkehr des Kunden komplett ausfiel. Ein echtes Desaster. Nachdem wieder alles lief, bat ich den Support des Hosters darum, diesem Vorfall nachzugehen, um die einzelnen Probleme, die sich dort in einer schier nicht enden wollenden Kette gezeigt hatten, abzustellen. Der Mitarbeiter verwies darauf, dass er dies nicht könne, hier müsse ich direkt mit dem Qualitätsmanagement Kontakt aufnehmen. Dies tat ich ausführlich, u.a. in der Hoffnung, dass unserem Kunden wenigstens pekuniär entgegengekommen würde. Die Antwortmail dazu befriedigte mich so wenig, dass ich mir noch einmal eine Stunde zeit nahm, darauf zu antworten. Warum? Siehe oben. Hier meine Rückmail:

Sehr geehrter Herr [Müller]*,

Ihre Antwort stellt mich nicht zufrieden. Um Ihnen zu erläutern warum, möchte ich unseren Mailwechsel nochmals zusammenfassen und erlaube mir, Ihnen bessere Antworten vorzuschlagen:

>> 1. Warum wird die Webseite eines Kunden abgeschaltet, ohne
>> ihn vorher zu warnen und/oder ihm die Möglichkeit zu geben,
>> Fehler zu beseitigen? Warum müssen sich Ihre Kunden schuldig
>> fühlen, ohne es zu sein?

> Hier gibt es bereits Überlegungen, wie dies zukünftig anders
> gehandhabt werden kann.

Eine Aussage, in der nicht mehr steht als: Vielleicht machen wir das irgendwann anders, vielleicht auch nicht. Mal sehen.

Meine Wunschantwort:
“Es tut uns leid, dass wir Ihre Seite einfach abgeschaltet haben. Das geht natürlich nicht. Sie müssen sich schließlich darauf verlassen können, dass wir unserer Verpflichtung nachkommen, Ihre Seite vertragsgemäß zu hosten. Um solche Vorfälle zukünftig zu vermeiden, haben wir unseren Support angewiesen, in solchen Fällen sofort Kontakt mit dem Kunden aufzunehmen und diesem Gelegenheit zu geben, innerhalb von 24 Stunden den vorgefundenen Fehler zu korrigieren oder ein Upgrade vorzunehmen. Erst danach werden wir Seiten nach einer weiteren Warnung abschalten. So ist unser Kunde jederzeit über den Stand der Dinge informiert und kann entsprechend reagieren.”

>> 2. Warum wird ein Serverpaket auf einen kaputten Server
>> portiert? Gibt es keine Funktionstests? Warum müssen Ihre
>> Kunden es hinnehmen, dass versprochene Dienstleistungen
>> nicht ausgeführt werden?

> Hier kam es leider zu einer unglücklichen Verkettung von nicht
> vorhersehbaren Problemen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen kann
> es leider immer zu Störungen oder Ausfällen kommen, die für
> uns auch nicht immer vorhersehbar sind.

Das ist jetzt nicht direkt eine Antwort auf die Fragen. Und auch hier: keine Entschuldigung.

Meine Wunschantwort:
“Zunächst zu Ihren ersten beiden Fragen: Üblicherweise nehmen wir keine kaputte Server in Betrieb, und natürlich werden vorher Funktionstests gemacht. In Ihrem Fall aber leider nicht. Das tut uns umso mehr leid, als Sie ja dieses Upgrade als Reaktion auf den ersten Fehler von uns ausgelöst hatten. Da hätten die verantwortlichen Mitarbeiter natürlich besonders sorgfältig arbeiten müssen. Man könnte dies nun eine unglückliche Verkettung nicht vorhersehbarer Probleme nennen. Wir möchten dies ausdrücklich nicht tun, weil das aus Ihrer Sicht irrelevant ist. Sie bezahlen für eine Dienstleistung und interessieren sich nicht dafür, wer oder was diese verhindert, sondern lediglich, dass das Problem umgehend behoben wird. Es tut uns leid, dass hier so viel schief lief und entschuldigen uns ausdrücklich dafür. Wir werden die verantwortlichen Mitarbeiter nochmals explizit darauf hinweisen, dass dies nicht Stil unseres Hauses ist und der Vorfall auch wirtschaftliche Folgen hat.”

>> 3. Warum können gute Mitarbeiter nicht selbständig agieren, um
>> Kundenbeschwerden aus der Welt zu schaffen? Warum müssen
>> sich Ihre Kunden wie Bittsteller fühlen?

> Wir werden diese berechtigte Kritik zum Anlass nehmen, uns hier
> einfachere Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme oder zum
> Weiterleiten von Beschwerden zu überlegen.

Das wäre schön.

>> *4.*
>> nachdem der Server zur angekündigten Zeit immer noch nicht
>> lief, erhielten wir gestern abend um 20:48 eine Mail, die
>> uns versicherte, “Mittlerweile ist der Server allerdings
>> wieder voll erreichbar.”
>> Das stimmt nicht, er war weder gestern abend noch heute
>> morgen (es ist jetzt 7:24 Uhr) erreichbar, alle betroffenen
>> Webseiten laufen nicht. [Es]* wird noch das alte Paket
>> angezeigt und wir haben keinen Zugriff darauf.
>> Daher die Frage: Testen Sie einen Server, bevor Sie Mails
>> verschicken, in denen steht, dass er läuft, obwohl er das
>> nicht tut?
>> Wenn ja: ??? Wenn nein: ???
>> Aber auch die dritte denkbare Variante gefällt mir nicht.
>> Der Server wurde getestet, nicht aber, ob die Programme,
>> die darauf laufen sollten. Nach der Vorgeschichte, die
>> Sie unten beschrieben nachlesen können, erwarte ich,
>> dass der zuständige Mitarbeiter wenigstens einmal die
>> fragliche Webadresse aufruft, um zu schauen, ob nicht nur
>> die Hardware grünes Licht zeigt, sondern auch die
>> Portierung korrekt abgeschlossen wurde.

> Bevor wir solche Nachrichten versenden, wird die Erreichbarkeit
> einzelner Dienste (Webserver, Datenbank, E-Mail, FTP, etc.)
> geprüft. Zusätzlich erfolgt ggfls. eine manuelle Prüfung
> einzelner Domains des Kunden. Alle Domains zu prüfen, ist
> aber leider auf Grund des Aufwands nicht immer möglich.

Das stimmt nicht. Es wurde maximal eine Domain geprüft, allerdings nicht die, um die es von Anfang an ging. Nicht geprüft wurde zudem der Datenbankserver, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht E-Mail und FTP, das lässt sich von hier aus schlecht sagen. Nicht geprüft wurde aber vor allem, ob wir auf das [Verwaltungssystem]* zugreifen können, denn dies wäre unbedingt notwendig gewesen, um von unserer Seite die einzelnen Dienste umstellen und/oder prüfen zu können. Ein kurzer Blick ins [Verwaltungssystem]* hätte gezeigt, dass dort immer noch das alte Paket aktiv war.

Meine Wunschantwort:
“Hier wurde von unserer Seite tatsächlich der größte anzunehmende Unfall produziert: Wir gaben Ihnen Bescheid, dass der Fehler behoben sei, ohne wirklich zu prüfen, ob dies so sei. Das geht nun überhaupt nicht, und es dürfte für Sie absolut unverständlich sein, wie so etwas passieren kann. Auch wenn es für Sie irrelevant ist, möchten wir Ihnen mitteilen, dass der zuständige Mitarbeiter in jener Nacht [eine Magen-Darm-Infektion / Liebeskummer / einen schweren Autounfall / andere gute Entschuldingung hatte und sich nicht, wie sonst üblich, ausreichend Zeit für die notwendigen Prüfungen genommen hatte. Es tut ihm sehr leid und er hofft, dass Sie Verständnis für seine Situation haben.
Wir möchten von unserer Seite aus anfügen, dass es auch nicht in Ordnung war, dass Ihre Domains (bzw. die Ihres Kunden) über einen Tag lang ausgefallen sind und Sie dadurch einen wirtschaftlichen Schaden erleiden mussten. Wir möchten Ihnen daher anbieten, .

> Wir hoffen, dass wir Ihnen mit diesen Angaben weiterhelfen
> konnten. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, stehen wir
> Ihnen natürlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Nein, Sie haben uns und sich leider nicht weitergeholfen. Dem technischen Desaster haben Sie nun ein kommunikatives hinterhergeschickt. Und ja, ich habe noch Fragen:

– Ist es so schwer, sich zu entschuldigen?
– Haben Sie keine Möglichkeit, zu Recht erzürnten Kunden finanziell entgegenzukommen?
– Haben Sie so viele Beschwerden, dass Sie für deren Beantwortung nur Floskeln verwenden können?

Ihre Antworten haben viele Fragen offengelassen, haben nichts wirklich erklärt und blieben nebelhaft im Ungefähren. Es gab kein Bedauern, keine Entschuldigung und keinen Wiedergutmachungsvorschlag.

Ich vermute, Sie sagen sich: “Bei [Zahl vieler Kunden]* Kunden passiert schon mal das eine oder andere Missgeschick und wenn wir uns jedesmal entschuldigen oder Wiedergutmachung anbieten, dann kommen wir hier gar nicht mehr zum arbeiten.” Dann sollten Sie aber Ihre Abteilung Qualitätsmanagement schließen und auf Mails wie meine gar nicht reagieren, damit würden Sie besser fahren.

Sie werben wie folgt: “[auswechselbarer Slogan mit Stichwörtern “Qualität, Service, Preistransparenz, Garantie” und “Messen Sie uns an unseren Versprechen!”]*

Wir nehmen solche Sprüche ernster als Sie glauben. Als Werbeagentur mit Qualitätsanspruch wählen wir unsere Partner so aus, dass wir deren Leistung ohne Bedenken an unsere Kunden weitergeben können. Wenn wir Sie an Ihren Versprechen messen sollen, müssen wir Ihnen unser Vertrauen leider entziehen.

Verstehen Sie diese Mail bitte nicht als Schreiben eines Menschen, der seinen Frust los werden will, sondern als ernsthafte Kritik, die auch Sie weiterbringen kann. In Ihren Seminaren sollten Sie gelernt haben, dass man Kunden, die sich kritisch äußern, mit viel weniger Aufwand zurückholen kann, als die, die einfach wortlos kündigen. Und dass solche Kunden die treuesten werden können.

Hier war der Aufwand (vergleichen Sie ihn mit meinem) definitiv zu gering.

Mit freundlichen Grüßen

_____
* Anonymisiert. Mein Eindruck ist, dass ab einer gewissen Größe sich die Unternehmenskulturen nivellieren. Der Name tut daher nichts zur Sache.

Nicht vorgesehen

Vor vielen Jahren erwischte mich mal ein Arcor-Mitarbeiter in einer günstigen Stunde und brachte mich tatsächlich dazu, den Vertrag mit der Telekom zu kündigen und einen mit seinem Unternehmen abzuschließen: Internet und Festnetz jeweils als Flatrate. Ein paar Jahre später kaufte Vodafone Arcor, womit sich eigentlich gar nichts änderte.

Nur eine Kleinigkeit störte: Man kriegt jeden Monat eine Mail, dass die Rechnung (“Web-Bill”) jetzt da ist, loggt sich dann bei Vodafone ein (“wie war nochmal Benutzername und Passwort?”), hangelt sich durch einige Menüs (“verflixt, wo war das denn?”), lädt sich schließlich die Rechnung runter, druckt sie aus und heftet sie in der Buchhaltung ab. Weil mich das zunehmend nervte, schaute ich von Zeit zu Zeit nach, ob man an den Einstellungen etwas ändern könnte. Aber mehr als das hier gab es einfach nicht:

Anfang des Jahres hatte ich schließlich die Faxen dicke und ging auf die Suchmaschinenpirsch. Es musste doch auch andere Menschen geben, die das Problem hatten. Tatsächlich wurde ich fündig. Und natürlich war es ganz einfach. Man muss sich lediglich bei “MeinVodafone” registrieren. Dort gibt es dann eine Möglichkeit, weitere Einstellungen vorzunehmen, unter anderem die, dass einem die Rechnung per Mail zugeschickt wird.

Allerdings gibt es noch einen Zwischenschritt: bei “MeinVodafone” muss man einen Online-Registrierungs-Code (den ich tatsächlich in einem alten Ordner fand) eingeben und seinen Vertrag hinzufügen, damit man auf ihn zugreifen kann. Genau das aber ging nicht. Nach Eingabe aller Daten blieb die Website stumm und rührte sich nicht mehr. Auch alle anderen durchprobierten Browser verweigerten den Dienst. Da man immer zuerst bei sich selbst den Fehler sucht, probiert man natürlich verschiedene Varianten und Einstellungen, fährt den Computer nochmal hoch und dergleichen. Kein Ergebnis.

Letzter Ausweg: Kundenforum. Irgendwer muss dieses Problem schon gehabt haben. Oder? Also wieder einen neuen Benutzernamen erdacht (xy21), sich angemeldet und die Frage gepostet:

Der Thread war damit eröffnet und die Antworten ließen nicht lange auf sich warten. Ein User riet, die Hotline anzurufen, die Moderatorin des Forums aber tippte gleich auf einen technischen Bug und schlug vor, sich darum zu kümmern. Dann gesellte sich ein weiterer User dazu, der dasselbe Problem hatte.

Einen Tag später kam eine direkte Nachricht von der Moderatorin:

Dann war zwei Wochen lang Funkstille. Bis sich Anke wieder meldete:

Das verschlug mir für ein paar Tage die Sprache. Heute fand ich sie wieder:

Kid-Cuts (57) – Trugschluss

Nach dem Besuch des Roncalli Weihnachstcircus, bei dem ein Dutzend jugendlicher asiatischer Artisten (vom Kind konsequent „Atheisten“ genannt) schier Unglaubliches vollbrachte und sich nach dem Ende der letzten Nummer im Kollektiv schwarze Sonnenbrillen aufsetzte, kramt das Kind beim Abendessen auch eine Sonnenbrille raus und packt sich diese auf Nase.
Eltern: „Hast du die jetzt auf, weil die Artisten sich auch eine aufgesetzt haben?“
Kind: „Nein.“
Eltern: „Warum dann?“
Kind: „Weil’s cool aussieht.“

Einsam reich

Übrigens: Das Zerstören von Wahlplakaten ist Sachbeschädigung und nützt unter Umständen sogar dem politischen Gegner. Andererseits ist der gekonnte Umgang mit Sprache stets zu bewundern. Da bin ich jetzt echt unentschieden.

Ach ja. Wer eigentlich nicht wählen wollte, aber dringend die FDP aus dem Bundestag kegeln möchte, sollte folgendes bedenken:
Bei 61.800.000 Wahlberechtigten und einer Wahlbeteiligung von 70% geben 43.260.000 Wähler ihre Stimme ab. Die FDP benötigt davon 2.163.000 Stimmen. Wer jetzt als 43.260.001. seine Stimme abgibt, steigert die Wahlbeteiligung auf 70,0000016181 Prozent und drückt die FDP auf genau 4,99999984 Prozent. Hab ich für jemand ausgerechnet.

Veggie-Day

“Die Grünen wollen uns das Fleisch verbieten!”, titelt die “Bild”-Zeitung und nicht mal beim Vorbeihuschen am Zeitungskiosk kommt man ernsthaft auf die Idee, nachlesen zu wollen, ob da was dran ist. Ganz anders der Hort der seriösen Nachricht, die qualitätsmedialen Tageszeitungen. Sie lesen es nicht nur nach, sie wiederholen es. Stefan Niggemeier dröselt auf, wie die Redaktionen deutschlandweit ohne Not das Lügenblatt zum Leitmedium machen und kommt zum deprimierenden Schluss:

Für die »Nachrichten«-Agentur dpa ist eine Meldung, was die »Bild«-Zeitung zur Meldung macht. Die Redaktionen des Landes haben die Entscheidung über das, was eine Neuigkeit darstellt und was einen Nachrichtenwert hat, weitgehend an die »Bild«-Redaktion outgesourct. Sie trotten treuherzig hinterher und versuchen bestenfalls die Wellen zu reiten, die »Bild« produziert. Im Ergebnis bestimmt das Blatt nicht nur, worüber »ganz Deutschland« diskutiert, sondern auch auf welchem Niveau.

Dabei müssten die Zeitungen nur mal ein bisschen in diesem Internet recherchieren, um herauszufinden, dass es solche Veggie-Days in bundesdeutschen Kantinen bereits gibt. Oder vielleicht lesen, was sie selbst schrieben. Die Südwestpresse Ulm etwa, die ihre Leser über die “Bild”-Lüge auf tendenziöse Weise abstimmen lässt [rechts], müsste nur mal ihr Partnerblatt in Tübingen aufschlagen, um in Erfahrung zu bringen, was die Kantinenesser selbst zu diesem Thema sagen. Denn an der dortigen Uni läuft bereits seit eineinhalb Jahren ein Veggie-Day-Versuch. Und das “Schwäbische Tagblatt” schrieb über eine Umfrage zum Thema:

Eine klare Mehrheit von 60 Prozent sprach sich dabei für eine Fortführung des Veggie-Day an der Mensa Prinz Karl aus. Komplett gegen die Beibehaltung des Veggie-Day war nur eine Minderheit von 15 Prozent. Für eine Einführung des fleischfreien Donnerstags an der Mensa Morgenstelle ( der Mensa Wilhelmstraße) sprach sich mit 48,5 (56,5) Prozent ebenfalls ein Großteil der Befragten aus (bei 26 (21) Prozent Nein-Stimmen).

Walter und ich

Walter Jens habe ich nur einmal besucht. Damals, Anfang der Nuller Jahre, als Reporter für den Südwestrundfunk in Tübingen sollte eine vom Meister selbst gelesene Seite einer neuen Buchveröffentlichung akustisch eingefangen werden. Statt eines Übertragungswagens schickte man mich. Die Terminfindung war schwierig, weil Jens dauernd unterwegs. Mit einem klobigen DAT-Recorder im Rucksack quälte ich mich den Berg hoch, wo Jens in schönster Hanglage weniger wohnte denn residierte. Die zauberhafte Inge Jens hieß mich herzlich willkommen, im Obergeschoss empfing mich Walter Jens. Nach einer sehr freundlichen Fragerunde (Was machen Sie so? Ah ja, sehr interessant) wurde von Jens der Aufnahmezeitpunkt bestimmt. Hektisch kramte ich den DAT-Recorder heraus, stöpselte ihn zusammen und pegelte die Aufnahme aus. Walter Jens begann nach meinem OK zu lesen, doch nach wenigen Sekunden dämmerte mir: Da ist was falsch, der Recorder recordete nicht, Jens las weiter (fehlerlos natürlich), ich schwitzte und unterbrach ihn ungerne nach 30 Sekunden mit devotem Geräusper und einem:
“Ehm, Herr Jens, ich glaube wir haben ein Problem.”
Jens: “Das schätze ich gar nicht, Herr Brenner.”
Ich: “Wir müssen noch einmal anfangen, denke ich.”
Die Stimmung im Raum verschlechterte sich rapide. Mein folgendes:
“So, jetzt können wir!” konterte er mit einem scharfen:

“Sind Sie sich sicher, Herr Brenner?”

und dem stechenden Blick eines Mannes, der keine 30 Sekunden seines Lebens zu verschwenden hatte.
Ich war mir sicher. Die Aufnahme klappte. Jens las (natürlich fehlerfrei) seinen Text runter und komplimentierte mich nicht unfreundlich aber doch sehr bestimmt aus seinen Hallen hinaus. Die Fahrradfahrt den Berg hinab trocknete meinen üppig fließenden Schweiß.

Den Tonfetzen “Sind Sie sich sicher, Herr Brenner?” installierte ich daraufhin bei meinem PC als Start-up-Sound, so dass die Stimme von Walter Jens fortan beim Hochfahren des Geräts nicht nur mein Tun, sondern fast das halbe Leben hinterfragte.
Es hat mir, glaube ich, nicht geschadet.