Das Letz niest zum achten Mal (Teil 1)

Alexandra Tobor: Sitzen vier Polen im AutoZuerst der Rückblick: Rechts oben haben wir schon ein Weilchen das Plakätchen stehen, das die nächste Lesung am 30. September (Huch! Nur noch drei Wochen!) ankündigt und mit seinem Motiv wie immer auf die vorhergehende Lesung anspielt. Diesmal ist wohl nicht schwer zu erraten, dass der Polski Fiat 125P an einem riesigen Zaunpfahl vorbeirast, auf dem “Alexandra Tobor” geschrieben steht. Denn sie war es ja, die im Januar aus ihrem Migrationsroman “Sitzen vier Polen im Auto” vorlas, der dann im Juni erschien. Seitdem ist Alexandra im deutschen Feuilleton zuhause. Für alle, die Sekundärliteratur gerne aus erster Hand lesen, bietet sie außerdem “betreutes Lesen” auf ihrem Blog an. Reinschauen!

Bastian Melnyk: FredOffensichtlich sind wir nicht so schlecht im Entdecken zukünftiger Literaturkapazitäten. Bastian Melnyk (Das Letz niest V, 22.5.2011) legte jetzt sein “Fredbuch” vor, in dem unter dem Motto “Fürst Frederick fon Flatters fetzige Fergnüglichkeiten” die “allersuperbesten sämtlicher Fredcomics, die jemals erdacht wurden” veröffentlicht werden. Natürlich mit persönlicher Widmung. Das fetzt. Und so. Danke!

Aber Schluss mit Rückblicken, schauen wir nach vorne, zur achten Lesung, die nun zum fünften Mal im Zimmertheater stattfindet. Und zum dritten Mal die Gallionsfigur des deutschen Misanthropieaphorismus präsentiert: Jan-Uwe Fitz, der mittlerweile fast 50.000fach verfolgte Taubenvergraemer gibt sich wieder die Ehre, uns auf sein Befindlichkeitsniveau herunterzuzerren. Absurd und sprechgewaltig heizt er seine Kunstfiguren durch ein selbstentzündetes Fegefeuer und lässt dem Publikum keine Chance, ihn mit Lachsalven niederzustrecken, weil er immer rechtzeitig ausweicht. Das hat er beim Taubenvergrämen gelernt. Wenn auch sonst nichts, denn: “Wenn ich etwas kann, dann nichts dafür.” Dieses Credo steht auch im Mittelpunkt des sehr persönlichen Auftritts von Jan-Uwe Fitz bei 140 Sekunden (auch zu sehen beim Elektrischen Reporter). Auch hier: Reinschauen!
Ein weiteres lesenswertes Interview mit dem obersten Befehlshaber der sozialen Phobien findet sich im Blog von Gesine von Prittwitz. Hier gesteht er erstmals öffentlich, wer in Wirklichkeit für seinen Erfolg verantwortlich ist – nämlich wir:

“Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass der Taubenvergrämer tatsächlich gelesen wird. Ich wollte lediglich mit dem Medium Blog experimentieren und war wahnsinnig aufgeregt, als anfangs immerhin vier fremde Menschen regelmäßig reinlasen.
Bloggen war für mich ähnlich wie eine Modelleisenbahn zu besitzen: einfach machen, verwerfen, und dann losfahren lassen. Doch dann wurde das dia-blog.de auf den Taubenvergraemer aufmerksam und erwähnte ihn in einem Radiointerview. Nun ging es immerhin schleppend voran. So schleppend, dass acht Jahre später, nämlich im Mai 2013, das Buch ‘Aus dem Leben eines Taubenvergrämers’ bei Ullstein erscheint.”

Jan-Uwe Fitz: Der UnerträglicheDas ganze Interview gibt’s in zwei Teilen hier und hier. Mittlerweile gibt es aber noch mehr Lesestoff von Jan-Uwe Fitz. Zuletzt erschien das Kurzwerk “Der Unerträgliche”, anhand dessen wir lernen, dass sich der Autor in den letzten Jahren zu oft und zu lange in Zügen aufgehalten und dort jenes Maß an Aggression kumuliert haben muss, das man benötigt, um diesen “Brief an einen todgeweihten Mitreisenden” zu formulieren. Zunächst als eBook für Kindle und als ePub herausgekommen, gibt es das Werk auch als gedrucktes Büchlein – allerdings in einer Schriftgröße, die für Kleingedrucktes bei Verträgen vor Jahren von der Optikerinnung verboten wurde.

Heidenblitz, jetzt ist dieser Beitrag so lang geworden, da kommt der zweite Teil eben in einen zweiten Teil.

Kunstgeschichtebändelupfmuskelkater

Damals, als ich noch Computer schraubte, hatte ich eine Kundin, die war Kunstgeschichteprofessorin. Sie hatte davon gehört, dass man mit Computern ebenso fein schreiben könne wie mit einer Schreibmaschine, nur besser. Ich bestätigte dies und stellte mit ihr eine Grundausstattung zusammen.

Softwaremäßig war das kein Problem, denn es gab nur ein Betriebssystem und zwei konkurrierende Textverarbeitungen. Wir entschieden uns für MS-DOS 6.20 und WordPerfect 5.1. Die Hardwareausstattung gestaltete sich schon schwieriger, nicht weil meine Kunstgeschichteprofessorin irgendwelche besonderen Konstellationen bevorzugte, sondern weil ihr der Monitor immer zu hoch oder zu niedrig stand. Ich besorgte daher aus dubiosen Kanälen einen Monitorhalter. Weil Monitore damals noch schwer und tief waren, waren solche Halter recht stabil ausgelegt, wogen etwa gleich viel wie der Monitor selbst und waren dermaßen groß, dass sie praktisch auf keinen Schreibtisch passten. So auch nicht auf den meiner Kunstgeschichteprofessorin. Jedenfalls nicht zusammen mit der Tastatur. Ich baute das Monstrum also wieder ab. Seither gammelt es im Keller vor sich hin.

Stattdessen verfiel ich auf die mir aus Studententagen geläufige Idee des Bücherstapels. Das war zwar semiprofessionell, hatte aber den Vorteil, dass es funktionierte. Das eigentliche Drama war die Auswahl der Bücher. Nicht, dass es daran gemangelt hätte. Selbstredend waren alle vier Wände mit Regalen versehen, die kreuz und quer liegende Fachliteratur aufnahmen. Zudem fanden sich Stapel von Zeitschriften, Katalogen, Diplomarbeiten und weiteren Büchern auf dem Boden, dem Beistelltischchen, dem Sofa und allen im Arbeitszimmer vorhandenen Stühlen. Nur: Welche davon könnte man nehmen, die a. momentan nicht benötigt würden und b. in der Feinabstimmung der Computerhöhendistanz ihre volle Funktionalität beweisen konnten? Dass man vom Kunstgeschichtebändelupfen einen Muskelkater kriegen kann, ist eine Erfahrung, auf die ich seither immer wieder gerne verzichte.

Jedenfalls gelang es uns nach mehreren Stunden, die richtige Balance aus Buchmillimetern und wissenschaftlichen Notwendigkeiten zu finden, korrigierten all das noch einmal, als wir merkten, dass auch die Tastatur nicht die richtige Höhe hatte und stellten zu guter Letzt auch noch den Stuhl auf die richtige Höhe – ein Arbeitsschritt, der mir gut und gern drei Stunden Kunstgeschichtebändelupfen und einen veritablen Kunstgeschichtebändelupfmuskelkater erspart hätte.

Wenig später erhielt der Gemahl der Kunstgeschichteprofessorin – übrigens ebenfalls ein Kunstgeschichteprofessor – einen Ruf nach Berlin, was dazu führte, dass auch meine Kunstgeschichteprofessorin eines schönen Tages in die Hauptstadt zog. Und weil dort ein eklatanter Mangel an Computerspezialisten herrschte, ließ sie mich einfliegen, um ihr Computergedöns anzustöpseln. Damals lernte ich, warum man bei heißem Wetter kein Jacket trägt, dass es in Berlin Straßen gibt, deren Hausnummern verlost werden, und dass man vom Kunstgeschichtebändelupfen auch zweimal im Leben einen Muskelkater kriegen kann.

Über Kunstgeschichte aber hatte ich rein gar nichts gelernt.

Das habe ich heute bei der Lektüre des überaus vergnüglichen Beitrags “Wunderbare Jahre. Streifzüge durch die Kunstgeschichte” von Alexandra Tobor aka @silenttiffy nachgeholt.
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Disclaimer: Ich habe mal mit @silenttiffy am gleichen Abend beim Jour Fitz gelesen und fand mich von ihrem Migrationsepos bestens unterhalten. Zudem plane ich, sie zu unserem kunstgeschichtlichen Stammtisch “Das Letz niest” einzuladen. Das weiß sie aber noch nicht. Also: Pssst.