Wir nennen es Arbeit. Holm Friebe / Sascha Lobo. Heyne. 2006.Â
Ein Leben jenseits der Festanstellung! Das ist für die einen ein Horror, für andere wiederum ein Traum. Dass dieser sehr wohl zu verwirklichen sei, und das noch mit Arbeit, die man richtig gerne macht, dazu noch örtlich ungebunden und womöglich während einem gerade eine hübsche Bedienung einen Latte vor den Laptop stellt: Darum geht es – ganz grob gesagt – in dieser Handlungsanweisung, die keine ist. Denn statt Punkt-für-Punkt-Listen abzuarbeiten, erzählen die Autoren immer von Möglichkeiten, wie sich mit internetbasierter Arbeit ein Einkommen zusammenklauben lässt. Dahinter steckt sehr wohl immer das Bewusstsein, dass man hier von einem Gesellschaftssplitter spricht – aber immer mit der Hoffnung, dieser möge sich doch zumindest zu einem Ast am Arbeitsbaum auswachsen.
Die beiden Autoren Holm Friebe und Sascha Lobo, Berliner Szenehelden mit dem tapfer erarbeiteten Glück, genau das machen zu können, worüber sie schreiben, aber ohne im Buch den Fehler zu machen, allzu detailliert über sich selbst zu schreiben, füttern das reichlich mit theoretischem Überbau und unzähligen Beispielen aus der derzeit praktischen Umsetzung des Geldverdienens im Internet an. Dazu noch Propaganda für einen Lebensstil, in dem zwar nicht gefaulenzt, aber immerhin selbstbestimmt über die eigene Arbeitszeit verfügt wird.
So ist „Wir nennen es Arbeit“ ein Buchbastard aus uptodaten Arbeitstheorien, aktueller Bestandsaufnahme, wo sich denn im Internet die Wilden und Kreativen tummeln, Schaffung und Verteidigung des Begriffs einer neuen Gesellschaftsschicht und Mutmachen dazu – die jeweilige künstlerische, kreative Ader vorausgesetzt – sich selbst in diese Gruppe einzureihen. Alles basierend auf der Grundtheorie, die schon in Kevin Costners Baseballmärchen „Feld der Träume“ Anwendung fand. Dort raunte eine geheimnisvolle Stimme aus dem Feld einem verzweifelten Maisfarmer zu: „If you build it, they will come.“ Mit „it“ war ein Baseballfeld mitten auf dem Acker gemeint. Und „they“ waren alte Baseballhelden – und in deren Folge Schaulustige mit locker sitzenden Geldbeutel. Übertragen auf die „Digitale Bohème“, heißt das: Produziere ein cooles Angebot im Netz, die Nachfrage danach wird sich schon entwickeln.
Und wie finden wir das? Es ist in seiner ganz lockeren Schreibe zuviel und zuwenig. Fortwährend werden Möglichkeiten aufgezählt, das Vorhandensein von Chancen beschworen und sehr ausführlich Einblicke in (gar nicht mehr so) neue digitale Welten wie die Blogosphäre gegeben. Aber wie zitieren die Autoren den alten Spruch der Beton-Lobby: Es kommt darauf an, was man daraus macht. Als Tritt in den Hintern und Aufputschmittel dient das Buch allemal.
Frechheit: Bei mir kommt’s heute mit der Post an, Du hast’s schon gelesen. Aber das ist wohl der wirkliche Unterschied zwischen Hauptstadt und Provinz. Soll ich jetzt zuerst das Buch oder Deine Meinung dazu lesen?
Immer zuerst das Buch. Kritiker sind scheiße und schreiben nur Mist. Besonders die wannabe-Kritiker. Aber dir wird es natürlich gefallen, besonders das sehr tiefe Eintauchen in die Blogosphäre.
Juhu, er bloggert wieder!!! Was macht das Knie? Das erklärt auch, warum das Buch schon gelesen ist!
Jetzt hab ich doch die Kritik zuerst gelesen. Aber auch das Vorwort gescannt. Am besten gefiel mir der Satz “Eine kurze Zählung im Freundeskreis ergab einen Freiberufleranteil von 90 Prozent, also eigentlich alle außer einem, Philipp. (…) Waren wir einem Phänomen auf der Spur oder überhöhten wir unseren überschaubaren Berliner Nahbereich mythisch, um dem Versacken an Wochentagen eine gesellschaftstheoretische Grundlage zu verpassen?” Ok, zwei Sätze.
Ah, ein Rezensent!
Nein, man freut sich natürlich darüber, wenn sich andere Menschen damit beschäftigen, was man sich selbst erarbeitet oder ausgedacht hat. Den zusammenfassenden Schlusshieb kann ich gut akzeptieren, denn man muss wissen, dass Buch gerade auch für Leute sein soll, die eben nicht aus der Mitte der Bewegung kommen, die wir digitale Bohème nennen. Sondern für Menschen, bisher nicht mal im Ansatz darüber nachgedacht haben, dass es aktivere Möglichkeiten gibt, seine Arbeitskraft irgendwo einzubringen als angehübschte Bewerbungen zu schreiben. Fragen, Antworten, Urteile und Beschimpfungen auch gerne auf dem Blog zum Buch (Klick auf Website).
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