Wir waren auf dem Weg nach Olympia. Wie winzig wirken die gerade mal 32 Olympischen Spiele der Neuzeit gegen die tausend Jahre währende Geschichte der antiken Spiele. Im Hintergrund hörspielen „Bibi und Tina“ in einer elternmarternden Endlosschleife, das Kind hat keine Ohrstöpsel. Im Vordergrund baut sich ein Polizist auf und hebt die Hand. Das Busle rollt auf den Seitenstreifen.
Der Polizist schreitet zur Fahrertür, ich lasse die Scheibe runter und grüße freundlich: „Jassas.“ Der Mann spricht nicht, er macht Handbewegungen. Diese hier – nach oben offene Hand mit einklappenden Fingern – signalisiert „Papiere her“. Die Mimik dazu changiert zwischen distinguierter Staatsmacht und gefährlicher Langeweile. Die Papiere, herrje, wo sind die Papiere? Einen Moment sehe ich mich mit gespreizten Beinen und breit gefächerten Armen am Busle festhalten und in aufgerissene Kinderaugen schauen, dann siegt die Routine des weitgereisten Hitchhikers. Im Rucksack!
Ich finde im vorderen Fach das abgegriffene Lederdings, in dem all das Papierene lungert, das man als Fahrzeugführer schlauerweise so bei sich trägt: Ausweis, ASU-Bericht von 2006, Fahrzeugschein, Organspendeausweis für die letzte Motorradausfahrt – und natürlich den Führerschein, auf dem mich ein 18-jähriges Bübchen mit Latzhose anschaut.
Ich fingere Führer- und Fahrzeugschein heraus und händige die Dokumente der Staatsmacht aus: „Parakaló.“ Das Beamtenmienenspiel verändert sich von indifferent-wichtig zu wichtig-indifferent. Ich bin nicht sicher, ob er mich auf meinem Führerschein wiedererkennt, mit dem Fahrzeugschein scheint er glücklicher zu sein, denn er liest ihn sehr aufmerksam, geht dann hinter das Busle, um dort irgend etwas zu überprüfen. Wir schwitzen wie spartanische Olympioniken in der Mittagsglut, dann kommt der Mann zurück zum Fenster. Weiterhin wortlos händigt er mir die Papiere zwischen zwei Fingern aus und macht dann die umgekehrte Handbewegung wie vorhin. Handfläche nach unten, die eingebogenen Finger schnellen nach vorne. Weiterfahren! Dann konzentriert er sich bereits auf den nächsten Verkehrsteilnehmer, den er gewissenhaft und unerbittlich kontrollieren wird.
[Quelle: Wikipedia]
Ich stecke die Papiere wieder in das Lederdings und das Lederdings in den Rucksack. Einen Kilometer später fällt mein Auge auf etwas, das im mittleren Handschuhfach liegt: Den Fahrzeugschein. ich krame noch einmal das Lederdings aus dem Rucksack und schaue mir den Fahrzeugschein an, den ich dem Polizisten gab. Den von meinem Motorrad.