Sandra N., Werbeberaterin Dia-Blog

Viele unserer Leserinnen und Leser fragen sich immer wieder, warum es hier keine Werbung gibt. Diese Frage ist so klug wie unsere Leserinnen und Leser und soll daher ebenso flugs wie ehrlich beantwortet werden: a. haben wir keine Ahnung, wie sowas geht und b. finden wir Werbung eigentlich gar nicht so toll. Beim Fernsehgucken gehen wir aufs Klo, wenn Werbung kommt. Aus der Tageszeitung schütteln wir morgens die Prospekte direkt ins Altpapier. Im Internet klicken wir niemals auf diese Banner-Dinger. Werbung ist im Grunde nur lästig, verbraucht unnötige Ressourcen, belastet das Klima und ist irgendwie Ä daher unethisch.

Natürlich kann man jeden ethischen Grundsatz ins Klo spülen, wenn man dafür Geld kriegt. Geld ist praktisch, denn man kann es beispielsweise gegen etwas zu essen tauschen. Oder zu trinken. Oder viel zu trinken. Oder Straßenbahn fahren (bitte nicht, wenn man zu viel getrunken hat), in die Oper gehen, Hütchenspieler oder Investmentbanken unterstützen und dergleichen mehr.

Warum also – so fragten wir uns neulich abends, als wir gerade gemütlich zusammenhockten und uns darüber beömmelten, welche olympischen Sportarten man in den Unterhosen des Taubenvergrämers nicht betreiben kann (Lösung: alle 28) – warum also, so fragten wir uns, machen wir nicht einfach Werbung in diesem unserem Blog und verdienen damit ein Schweinegeld?

“Weil Werbung im Grunde nur nervt und lästig ist, darüber hinaus unnötige Ressourcen verbraucht, das Klima belastet und daher als unethisch zu betrachten ist”, brachte wog altersleise hervor.

“Wohingegen Geld äußerst praktisch ist”, fügte ich etwas lauter hinzu, und ergänzte folgenden mir spontan eingefallenen Satz: “Außerdem haben wir echt schlaue Leserinnen und Leser, die genug Erfahrung mit Werbung haben, um sie ignorieren zu können, wenn sie möchten.”

Darauf erhob wog seine Stimme um weitere 10 Dezibel und fügte kongenial hinzu: “Also kann jeder selber entscheiden, ob er (‘oder sie’, aber das fügte er nur in Gedanken kongenial hinzu) die Werbung lesen will oder nicht.”

Wir versanken in ein kurzes, grüblerisches Schweigen.

“GUT!!”, brüllten wir gemeinsam, “dann kann’s ja losgehen!”

Unglücklicherweise wussten wir immer noch nicht, wie das eigentlich geht mit der Blog-Werbung.

Der Zufall wollte es, das just am folgenden Tag eine winzige, unscheinbare Mail durch den Spamfilter gehüpft kam, um unsere kleine Blogwelt für immer durcheinander zu wirbeln:

Mail 1

(Hervorhebungen und Verwischungen von mir, Text von Sandra N.)

Kurz: Sandra N. – ihres Zeichens Werbeberaterin bei der Firma P. – hatte uns entdeckt!

“SUPI!”, brüllte wog, der es sich seit neulich leider angewöhnt hatte, Dialoge schreiend zu führen, „lass uns Bora-Bora oneway buchen!“

Ich jedoch war skeptisch. Woher kannte uns diese Frau N.? Hatten wir irgendwo Visitenkarten rumliegen lassen? Wir hatten doch gar keine! Oder sickerte langsam durch, dass wir eines der verdammt besten Blogs im gesamten Internetz führten? Obwohl mir zwar klar war, dass das World Wide Web nicht nur hochkomplexe Geheimnisse barg, sondern auch unvermutet Geld ausspucken konnte, musste ich der Sache auf den Grund gehen. Ich mailte unserer Werbeberaterin stehenden Fußes folgenden Fragenberg zurück:

Hallo Frau N.,

schönen Dank für Ihre Mail. Mir tun sich da gleich ein paar Fragen auf: Wie kommen Sie denn auf uns? Müssen wir uns geschmeichelt fühlen und haben Sie nachvollziehbare Kriterien, nach denen Sie Webseiten auswählen? Welcher Art sind die Kunden, die an unserer Webseite interessiert sind? Wie sieht denn so eine Textanzeige aus? Gibt es da Beispiele? Was verstehen Sie unter “Rezension”? Und haben Sie mehr als diesen einen Klienten?

Ich beschloss die Elektropost mit geschäftsmäßig freundlichen Grüßen und drückte auf „Senden“, wodurch sich weltweit mehrere Server in Gang gesetzt fühlten und auf sorgfältig ausgetüftelten Pfaden dafür sorgten, dass meine besorgten Erkundigungen direkt an Frau N.s Platz zugestellt wurden. Nachdem jene die Fingernägel sich lackiert (also das stelle ich mir jetzt nur so vor, die Wirklichkeit mag davon durchaus abgewichen sein) und einzelne der Fragen durchgelesen hatte, antwortete sie mir nur wenige Stunden später mit folgenden aufmunternden Zeilen:

Mail 2

(Hervorhebungen und Verwischungen von mir, Text von Sandra N.)

“Jetzt bin ich direkt enttäuscht von deiner Frau N.”, klagte wog, als er wieder vom Bildschirm aufblickte. “Hatte sie uns neulich nicht eine monatliche Leibrente versprochen, würden wir uns mit ihrem Kunden beschöftigen?”

“So ist das halt im Geschäftsleben”, erklärte ich dem Träumer den Kapitalismus, “nur der first mover agiert free im market. Wer zu lange zögert, muss sich mit den Brosamen des Web 2.0 begnügen. Aber hast du mal über die Differenz zwischen 20 und 45 Dollar nachgedacht? Ich schon!”

Weil es mir ein Anliegen war, den business case in allen Details zu verstehen, begann ich just in time die nächsten, entscheidenden und wahrscheinlich frequently asked questions an Frau N. an- und einzutippen:

Wenn ich Sie richtig verstehe, ist Ihnen eine selbst geschriebene Rezension mehr wert als eine geschaltete Textanzeige – mutmaßlich, weil damit ja eine höhere Glaubwürdigkeit vermittelt wird. Was aber, wenn mir das Produkt Ihres Auftraggebers gar nicht gefällt? Dann müsste ich ja eine negative Rezension schreiben. Ist Ihnen das auch recht und geht es Ihnen demzufolge nur um die Verlinkung auf die Kundenseiten, oder legen Sie Wert auf eine positive Berichterstattung? Um welche Links handelt es sich denn? Es wäre nicht schlecht, wenn ich schon mal einen Blick darauf werfen könnte.

Wie recht ich mit meinen Mutmaßungen hatte! Ganz bleich wurde wog, als er Frau N.s Bestätigung meiner Theorien im Postfach fand:

Mail 3

(Hervorhebungen und Verwischungen von mir, Text von Sandra N.)

Kleinlaut begab sich wog auf die Webseite unseres Kunden in spe, um endlich etwas für unsere Altersversorgung zu tun. Jedoch auch hier scheiterte er kläglich, denn nicht nur konnte er den Nutzen des Angebotes nicht erkennen, er verstand auch nicht, weshalb er in dem angesteuerten Online-Spielcasino immer wieder aufgefordert wurde, eine bestimmte Software herunterzuladen und auszuführen.

“Was soll der Scheiß”, schimpfte er schließlich und überließ es einmal mehr mir, die Kohlen aus dem Feuer zu fischen.
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass es mir ähnlich ging. Kurz: Wir hatten keine Ahnung, wie man die Seite bedienen oder gar, wo ihr Nutzen liegen könnte.

Aber wir hatten ja noch unsere werbeberatende Frau N. Flugs wurf ich das E-Mail-Programm an und formulierte nun schon mein drittes business mail:

Ich habe mir die von Ihnen angegebene Seite mal angeschaut und fand sie auf den ersten Blick etwas verwirrend. Aber das liegt wahrscheinlich daran, dass ich von Casinos und Poker keine Ahnung habe. Vor diesem Hintergrund frage ich mich auch, ob Sie sicher sind, dass das Thema in unserem Blog richtig aufgehoben ist. Würden unsere Leser das nicht komisch finden, wenn ich über etwas schriebe, von dem ich gar keine Ahnung habe?

Sie haben damit sicherlich mehr Erfahrung. Was meinen Sie?

Letzteren Satz hatte ich eher als Aufmunterung gedacht. Vielleicht kannte Frau N. diese Pokerseite selber nicht und wäre froh über unser aufrichtig kritisches Vorgehen. Und genauso war es auch. Aber natürlich schüttelte unsere Managerin auch für dieses Problem gleich eine einfache Lösung aus ihren Ärmeln (ich tippte auf eine Businessbluse, Typ smart casual):

Mail 4

(Hervorhebungen und Verwischungen von mir, Text von Sandra N.)

Wie erleichtert waren wir da! Wie easy konnte das Geschäftsleben sein! Endlich wussten wir, was zu tun war. Es galt lediglich, die Seiten unseren neuen Kunden eingehend zu inspizieren, ein kleines Artikelchen mit 150 Wörten zu verfassen, ein paar Links einzubinden und schon würde der Rubel rollen – oder besser gesagt: der Dollar.

Wir setzten uns also vor den Bildschirm und fanden heraus, dass man auf der Sportwettenseite faszinierende Wetten abschließen konnte. Setzte man beispielweise 10 Euro darauf, dass das Drittliga-Spiel Erzgebirge Aue gegen Paderborn 1:6 ausgehen würde, erhielte man 2.010 Euro ausbezahlt. Wir schauten uns an.

“Das ist aber viel Geld”, eröffnete ich

“Ich glaube eher 2:5”, mutmaßte wog.

“Dafür gibt es aber nur 1.510 Euro. Außerdem: Auswärts im Erzgebirge?”, konterte ich schlau.

Das Problem war, dass wir beide keinen Schimmer von Fußball hatten.

“Schau mal, hier gibt es auch Cricket”, kreischte wog auf einmal, “da können wir 100 Euro darauf wetten, dass Australien in den ODI Series alle drei Spiele gegen Bangladesh gewinnt.”

“Allerdings gewinnen wir dann auch nur 103 Euro – abzüglich der Gebühren”, zernichtete ich seinen Plan.

Es war verheerend. Wir hatten nicht nur keine Ahnung vom Sport, sondern noch weniger vom Wetten. Geschweige denn, was man darüber schreiben könnte, ob Paderborn oder Bangladesh und wieviele Quoten und ob der Halbzeitstand und wenn ein Unentschieden oder wenn wir gar kein Geld oder am Ende das Stadion überflutet und das Spiel abgesagt und oder …

Wir kapierten es nicht. Aber was sollten wir nun schreiben? Ich rettungsankerte mal wieder Frau N. an:

Hallo Frau N.,

gibt es da Beispiele, wie das andere Blogs gemacht haben? Nicht, dass ich da abschreiben wollte. Nur so aus Neugier.

Schöne Grüße

Unsere Heldin ließ uns nicht im Stich, sondern mailte flugs zurück:

Mail 5

(Verwischung von mir, Text von Sandra N.)

Leider fanden wir den Text in dem angegebenen Blog nicht besonders – nicht einmal besonders erheiternd – und mittlerweile scheint es auch gar nicht mehr zu existieren. Nachdem keiner von uns Lust auf Wetten, Poker oder andere Casinospielchen hatte und wir auch nicht die geringste Idee hatten, was wir nun schreiben könnten, trafen wir uns neulich wieder bei einem Bierchen und schrien uns ein bisschen an.

“Das war ja wohl die beschissenste Idee seit langem”, brüllte wog, “um zusätzliches Geld zu verdienen!”

“Immer noch besser”, schrie ich zurück, “als in der Fußgängerzone Nasenflöte zu spielen”, und spielte damit auf einen lange gehegten musikalischen Wunsch meines Kompagnons an.

“Und am Ende hätten wir noch die Hälfte ans Finanzamt abgeben müssen”, fiel mir wog ins Wort.

“Na und? Dann wären immerhin noch so um die 20 Dollar übrig geblieben”, gröhlte ich ihn heiser nieder, denn ich als Buchhalter des neu gegründeten Start-up-Unternehmens hatte das Steuerdingsbums schon längst ermittelt.

20 Dollar? Wir schwiegen beide ein Weilchen, schauten uns dann schweigend an und brüllten dann unisono los:
“Frau N. schreibt den Text selber!”

Die entsprechende Mail war schnell aufgesetzt:

Hallo Frau N.,

einen Urlaub und viele misslungene Schreibversuche später möchte ich doch noch einmal auf Ihr Ursprungsangebot zurückkommen: Wie sähe denn so ein von Ihnen geschriebener Text aus, der uns 20 Dollar einbrächte?

Leider entsprach das Ergebnis nicht unseren Wünschen. Es schien so, als seien wir auch als Unternehmer komplette Nieten, denn die Antwort von Frau N. fiel diesmal etwas knapp aus:

Mail 6

(Verwischungen von mir, Text von Sandra N.)

Schade. Den Text von Frau N. hätte ich euch zu gerne vorgelesen.

Aber wahrscheinlich hätten wir den sowieso nicht veröffentlicht.
Aus ethischen Gründen.

8 Gedanken zu „Sandra N., Werbeberaterin Dia-Blog

  1. Ihr habt keine Ahnung von Sport, seid aber überzeugt, dass alle olympischen Sportarten in meine Unterhose passen? Da stimmt doch was nicht. Das passt doch so wenig zusammen wie Ihr und Online Casino. Wenn dies keine Mail wäre, würde ich lauter brüllen als wog und du zusammen, würde ich!

  2. Wir haben die Unterhose – leider – gesehen und müssen daher bei der Wahrheit bleiben. Da hilft auch keine Schreierei. Im übrigen hätten wir auf jene Erfahrung gerne verzichtet.

  3. Wenigsten roch die Unterhose frisch, was man von meinen beiden schweißgetränkten und unterzuckerten Besuchern nicht behaupten konnte.

  4. Jetzt tut es mir leid, solche Anfragen immer unbeantwortet im digitalen Papierkorb versenkt zu haben. Herrlicher Dia-log!

  5. Pingback: Blogposting 07/14/2011 « Nur mein Standpunkt

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