Die nackte Zeit

Nach den gestrigen Vorüberlegungen, was die Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) für uns als Blogbetreiber wohl bedeuten mag, hier gleich mal ein nettes Beispiel. Da wir die Webseite Nudemen Clock von Francis Lam sehr hübsch finden, haben wir euch einen Screenshot davon gemacht und auf die Seite verlinkt.

Ist das jetzt für Kinder ab 0 Jahren geeignet? Oder erst ab 6? Ab 12? Ab 16? Oder erst ab 18 Jahren? Sollen wir den Beitrag ab 18 Uhr, 20 Uhr oder 22 Uhr online stellen? Und wann morgens wieder vom Netz nehmen? Gefährdet schon der Screenshot die Kinder oder Jugendlichen? Oder ist erst das bewegte Bild problematisch?

Ähnliche Fragen hat bereits vor einigen Monaten der AK Zensur in einem “Praxistest zum Mitmachen” gestellt. Dabei fällt man reihenweise auf die Schnauze, denn die Altersklassifizierung nach dem Gesetz ist etwas für Experten. Probiert es selber aus.

[Der Presurfer hat’s gefunden.]

Dialog

Unsere Internetsperrministerin scheint einzulenken: Das umstrittene Gesetz soll ein Jahr ausgesetzt werden, und sie selbst möchte im Internet “einen Dialog anfachen”. Der AK Zensur, der diesen Dialog von Anfang an vergeblich gefordert hat, schreibt zurück:

Es ist uns völlig gleichgültig, ob Sie per Federkiel, Fax oder Facebook mit uns in Verbindung treten, solange Sie nur endlich begreifen, dass es in einer Diskussion unverzichtbar ist, dem Gegenüber zuzuhören und auf seine Argumente einzugehen. Und nicht nur der AK Zensur, sondern praktisch jeder, der sich mit so was auskennt, versucht Ihnen begreiflich zu machen, dass Sie im Kampf gegen Kinderpornografie nicht nur untaugliche Maßnahmen ergreifen, sondern mit der Schaffung einer Zensurinfrastruktur an den Fundamenten der Demokratie sägen. Und sobald Sie dazu etwas wirklich Neues zu sagen haben, dürfen Sie das gern auch ausdrucken, einscannen und uns als E-Mail-Anhang schicken …

[via Christian]

Löschen statt verstecken

Stell dir vor: Die Mafia verteilt in verschiedenen Supermärkten in ganz Deutschland mit Kokain gefüllte Überraschungs-Eier. Dies ist zwar schon länger bekannt, aber kurz vor der Bundestagswahl hat die Familienministerin die publicityträchtige Idee, ein Gesetz zu erlassen, das Kinder vor diesen Süßigkeiten schützen soll. Sie befragt einige Experten zu dem Thema und die schlagen folgende Alternativen vor:

  • a. Man könnte die Ü-Eier aus den Regalen entfernen, wo und von wem auch immer sie gemeldet werden, und die Leute verfolgen, die sie da reingelegt haben.
  • b. Man könnte alle Supermärkte dazu verpflichten, vor dem Regalfach, in dem die Ü-Eier liegen, ein Pappschild anzubringen, auf dem steht, dass es nicht erlaubt sei, diese Ü-Eier mitzunehmen. Außerdem müsste der Supermarkt einen Mitarbeiter abstellen, der alle Kunden, die dieses Pappschild anschauen, fotografiert und der Polizei meldet.

Was glaubst du, wofür sich die Ministerin entscheidet? Selbstverständlich für b.

PS: Dass es anders geht, zeigt der AK Zensur, der europaweit Provider per E-Mail anschrieb, auf deren Servern kinderpornografisches Material gelagert war. Binnen 12 Stunden wurden 60 solcher Seiten abgeschaltet.