Schreck am Montagmorgen: Auf dem Garagendach vom Nachbarhaus liegt ein Hund.
Er muss wohl den Berg heruntergekommen sein und den Weg zurück nicht gefunden haben. Die Kollegin holt Wasser, ich klettere rauf und stelle ihm das Trinken hin. Er schlabbert ein bisschen und legt sich wieder hin.
Ich rufe die Nachbarin an. Ihr gehört der Hund nicht. Sie weiß auch nicht, wem er gehören könnte und schon gar nicht, wie man ihn da runter bringt.
Ich klettere nochmals rauf und versuche herauszufinden, auf welchem Weg man den Hund bergen könnte. Aber an der Bergseite ist dichtes Dornengestrüpp, ein Maschendrahtzaun und eine hohe Steinmauer, über die er heruntergesprungen sein muss.
Die Nachbarin fleht mich an, das Dornengestrüpp nicht zu beschädigen. Es hielte die Einbrecher ab. Ich bringe dem Hund mein Frühstück, das er allerdings verschmäht und rufe die 112.
“Feuerwehr-Notruf-Zentrale?”
“Ich weiß ja nicht, ob ich bei Ihnen richtig bin, aber bei uns steht ein Hund auf dem Garagendach.”
“…”
“Hallo?”
“Äh … wie ist der denn da raufgekommen?”
“Keine Ahnung.”
“Und wie lange ist der da schon oben?”
“Keine Ahnung, vielleicht das ganze Wochenende.”
“Ein Hund auf dem Garagendach.” (Lachen im Hintergrund.) “Ja, da schicken wir am besten mal die Polizei vorbei.”
“Prima.”
Eine halbe Stunde später kommt die Polizei angerauscht. Ein Pärchen. Mir fällt auf, dass die Frau keinen Schnäuzer hat.
“Haben Sie angerufen wegen dem Hund auf dem Garagendach?”
“Ja.”
“Wo ist er denn?”
“Na – da oben.”
Ich bitte die Polizisten auf den Balkon, von wo sie eine bessere Aussicht haben.
“Äh … wie ist der denn da raufgekommen?”
“Keine Ahnung.”
“Und wie lange ist der da schon oben?”
“Keine Ahnung, vielleicht das ganze Wochenende.”
“Ein Hund auf dem Garagendach.” (Beide lachen.) “Ja, da rufen wir am besten mal bei der Zentrale an.”
“Prima.”
Der Polizist zieht ein einem Riesenknochen ähnelndes Gerät aus der Tasche – der Hund zwinkert nur ein bisschen – und funkt die Zentrale an. Wir hören mit.
“Zentrale?”
“Hier F16-37. Also das mit dem Hund stimmt wirklich: Der steht hier auf dem Garagendach.”
“…”
“Hallo?”
“Äh … wie ist der denn da raufgekommen?”
“Keine Ahnung.”
“Und wie lange ist der da schon oben?”
“Keine Ahnung, vielleicht das ganze Wochenende.”
“Ein Hund auf dem Garagendach.” (Lachen im Hintergrund.) “Ja, da rufen wir am besten mal im Tierheim an.”
“Prima.”
Ich stelle mir vor, wie die Zentrale im Tierheim anruft. Den Text kenne ich schon:
“Hier ist das Tierheim.”
“Hier spricht die Polizei. Können Sie mal kommen? Wir haben hier einen Hund auf dem Garagendach.”
“…”
“Hallo?”
“Äh … wie ist der denn da raufgekommen?”
“Keine Ahnung.”
“Und wie lange ist der da schon oben?”
“Keine Ahnung, vielleicht das ganze Wochenende.”
“Ein Hund auf dem Garagendach.” (Lachen im Hintergrund.) “Ja, da schicken wir am besten mal unseren Herrn W. vorbei.”
“Prima.”
Eine halbe Stunde später hält das Busle vom Tierheim und Herr W. steigt aus. Er scheint Erfahrung mit Hunden auf Garagendächern zu haben, denn er fragt gar nichts, sondern stellt einfach eine Leiter hin und klettert hoch.
Dann stellt sich heraus, dass Herr W. doch keine Erfahrung mit Hunden auf Garagendächern hat, denn er führt weder Abseilgerätschaften noch einen Maulkorb mit sich. Er bittet um Mithilfe, worauf ich abermals das Dach erklimme und den Hund beruhigend streichle, während Herr W. in seinem Busle nach Seilen und Gurten kramt.
Gemeinsam basteln wir eine Hundeseilbahn und lassen den gar nicht so leichten Hund vorsichtig zu Boden schweben. Die Zuseherschaft löst sich auf und Herr W. bittet mich um meine Unterschrift auf einem Formular. Oder ob ich den Hund behalten wolle? Ich verneine, worauf er mir verrät, dass es sich wohl um einen Terrier der Sorte Staffordshire handele. Dann entschwindet er mit dem Tier im Schlepptau.
Ich eile ans Internetz und wikipediae “Staffordshire”. Das liegt in den englischen Midlands und beherbergt Ortschaften mit so idyllischen Namen wie Blythe Bridge, Featherstone, Little Haywood und No Man’s Heath. Robert Plant und Robbie Williams sind dort beheimatet. Und:
“Maskottchen und Stolz der Grafschaft ist der Staffordshire Bullterrier. Beinahe jedes Wochenende finden in der Gegend Ausstellungen statt und diese Rasse gehört zum festen Straßenbild.”
Was hier verschwiegen wird: Die Viecher dürfen nach Deutschland nicht importiert werden, weil sie als gefährlich gelten, im schweizerischen Kanton Wallis sind sie sogar komplett verboten. Und wenn jetzt ein Schlaumeier einwendet, dass es sich ganz klar um einen American Staffordshire Terrier handele: Die stehen auch auf der Liste.
PS (damit unter den Lesern dieser Kolumne keine Besorgnis um mein Wohl und Wehe ausbricht): In England und den USA gelten diese Hunde als ausgesprochen kinderliebe Familienhunde.
PPS: Schreck am Mittwochmorgen: Auf dem Garagendach vom Nachbarhaus steht eine Katze. Aber die steht da oft. Da ist sie sicher sicher vor Hunden.