Beleidigte Leberwürste

Mittlerweile ist es schon ein Ritual: Til Schweiger macht einen neuen Film, er lädt die Presse dazu vorab nicht ein, weil er nicht möchte, dass noch vor der Kinogeburt böse Dinge über sein neuestes Kindlein gesagt und geschrieben werden. Daraufhin mokiert sich die Presse mal mehr, mal weniger beleidigt über Til Schweiger und dessen seltsame Praxis und die Leser dieser Artikel maulen dann wieder über die Kritiker, die sich angeblich für etwas besseres halten und greinen würden wie die kleinen Kinder, denen man ihr rotes Feuerwehrauto weggenommen hat.

Fakt ist: Morgen kommt Schweigers „Zweiohrküken“ in die Kinos, Pressevorführungen dafür gab es wie auch bei dessen Vorgänger „Keinohrhasen“ keine. Ein namhaftes Magazin aus Hamburg hat über die ganze Misere ein Interview mit dem Autoren, Produzenten, Hauptdarsteller, vielleicht auch Visagisten, Kostümschneider sowie Licht- und Tontechniker Schweiger geführt, wo dieser abermals (und mit dem klassisch sauertöpfischen-schmollenden Unterton) bekräftigt, dass er mit seinem Vorgehen nur sein Werk schützen möchte.

Das Hin- und Hergeballer zwischen Journalisten, die ihrer Arbeit nicht nachkommen dürfen (wie etwa hier, und einem aber auch so was von gänzlich unsouveränen Regisseur (und Hauptdarsteller und so weiter und so fort) ist indessen ein – wenn auch manchmal sehr unterhaltsames – gänzlich nutzloses Scharmützel, das den normalen Kinogeher so viel interessiert wie Til Schweigers Schuhgröße.

Wer jemals einer Pressevorführung beiwohnen durfte, der weiß: Hier gibt es keinen Schönheitspreis zu gewinnen. Da sitzen Menschen um 10.30 Uhr noch sehr verwuschelt und zerzaust im Kino, haben oft ein 3-Film-Tagesprogramm (und noch mehr) vor sich, sind im Laufe der Jahre etwas bis unerträglich zynisch geworden, weil sie einfach zu viele (und auch zu viele schlechte) Filme gesehen haben, und sich durch ihren Job fast gar nicht mehr mit normalen Kinogängern auseinandersetzen müssen.

Diese blutrünstige Meute, die nur darauf aus ist, ein neues Produkt aus dem Hause Schweiger zu zerfleischen, macht Herrn Schweiger so viel Angst, wie einem Fünfjährigen der Schwarze Mann. Drum dürfen sie seine Filme nicht mehr sehen – zumindest nicht vorab und auf keinen Fall umsonst. Dass Filme ohne Pressevorführungen (oder sehr, sehr kurz vor dem Kinostart angesetzte) in die Kinos kommen, ist indes nicht das Ungewöhnliche. Sind es im ersten Fall meist wirtschaftliche Gründe, um besonders bei Blockbustern Raubkopierern vor dem Startwochenende keine Chance zu geben, oder und bei sich schon von vorneherein als Kassengift abzeichnenden Filmen durch schlechte Vorabkritiken das Einspielergebnis nicht noch mehr beeinträchtigen zu lassen, ist es im Falle Schweiger vornehmlich die private Eitelkeit und ein pienziges Verhalten, den Kino-Schreibern eine lange Nase zu drehen. Man kann das pubertär nennen. Vielleicht muss man das auch.

Herr Schweiger darf das. Sicherlich. Kein Journalist der Welt hat das Recht, einen bestimmten Film vor dessen Kinoauswertung zu sehen. Aber was Herr Schweiger hier macht, ist nichts weniger, als einen ungeschriebenen Kontrakt zwischen Journalisten und Filmproduzenten und Verleihfirmen zu brechen. Und zwar mit der Haltung eines groß gewordenen kleinen Jungen, der es noch nach einem halben Leben nicht verwirkt hat, dass ihm als Vorschüler mal einer das Butterbrot weggenommen hat.

Was nun tun als Rezensent? Den Film totschweigen? Die Kritik am Freitag nachschieben und die acht Euro Eintritt bezahlen (was nicht das Problem ist)? Oder doch auf die Filmausschnitte am Samstag bei „Wetten dass?“ warten? Am Besten wäre es, das alles sehr beruhigt von außen zu beobachten, es als Ritual begreifen und wissend zu Weihnachten 2011 schmunzeln, wenn das Sequel „Dreiohrmutanten“ (oder jede andere Kombination von „Drei“ mit „Ohren“ und irgendeinem Tier oder Wesen) in die Kinos kommt.