An die
Kreispolizeibehörde Dingenskirchen*
Verkehrskommissariat Schlingenthal*
Am Markt 12
54321 Schlingenthal
Aktenzeichen 123456-654321-08/1*
Schriftliche Äußerung als Zeuge
Sehr geehrte(r) Herr oder Frau Bengel*,
besten Dank für Ihr Schreiben vom 9.9.2008, das ich nach der Rückkehr aus unserem Eifelurlaub im Briefkasten vorfand.
Nämlich hatte ich schier gar vergessen, neulich Zeuge jener von Ihnen angesprochenen “fahrlässigen Körperverletzung bei Verkehrsunfall (Par. 229 StGB)” geworden zu sein, und wähnte ich doch schon ausreichend Zeugnis erbracht zu haben, indem ich dem freundlichen Polizeibeamten vor Ort den Sachverhalt aus meiner Sicht schilderte. Gleichwohl verstehe ich Ihr Begehren, dem mündlichen Vortrag nun einen schriftlichen folgen zu lassen, ist das geschriebene Wort doch weniger flüchtig denn das gesprochene. Nun denn.
Mit dem beschuldigten resp. betroffenen Verkehrsteilnehmer Egon Hiestermann* bin und war ich weder verheiratet, noch in Lebenspartnerschaft lebend, geschieden, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert, bin und war mit ihm nicht verlobt und kein Versprechen eingegangen, eine Lebenspartnerschaft zu begründen. Ich habe derlei auch nicht vor, bin jedoch regelrecht erstaunt, auf wie viele Arten man in den Genuss eines Zeugnisverweigerungsgerecht geraten kann. Von letzterem darf ich demzufolge, möchte aber auch gar keinen Gebrauch machen.
Zur Sache äußere ich mich wie folgt: Wir waren auf dem Weg von unserem Urlaubsort Berlingen zu unserem Ausflugsziel Vogelsang, wo, wie Sie vielleicht wissen, diese Naziburg steht, die wir zu umwandern gedachten. Wir waren zugegebenermaßen etwas spät dran (mit einem Kleinkind kommt man anscheinend immer später weg als man sich vornahm) und hatten uns zudem, soweit ich mich erinnern kann, in der Gegend der von Ihnen so genau beschriebenen Szenerie regelrecht verfranst, vielleicht auch verfranzt, da möchte ich mich jetzt nicht festlegen. Im Nachhinein sind wir darüber geradezu dankbar, denn hätten wir die Unfallstelle zehn Sekunden früher passiert, wäre uns passiert, was unserem Vorausfahrer jetzt passierte, dann nämlich hätte der oben genannte Verkehrsteilnehmer womöglich unser Fahrzeug gerammt.
Und damit sind wir auch schon beim Kern der Sache, dem ich gerne noch eine Zeichnung beifügen möchte: Das vor uns fahrende Fahrzeug, dessen Typ und/oder Kfz-Kennzeichen ich mir nun wirklich nicht gemerkt habe (Im Nachhinein fiel mir ein, es wäre vielleicht praktisch gewesen, eine fotografische Aufnahme des Geschehens zu machen. Leider war mir dieser Gedanke zum fraglichen Unfallzeitpunkt nicht ins Gedächtnis getreten, sonst könnte ich jetzt mit Detailwissen glänzen. Aber ich denke doch, davon ausgehen zu können, dass einer Ihrer Kollegen daran gedacht hat. Es gibt ja heute diese praktischen Digitalkameras, auf denen das Ergebnis – pardauz! – im Nu zu sehen ist. Ich hoffe, jener Kollege – oder jene Kollegin – führte eine solche mit sich.) – ich beschrifte es mit “G” für “Geschädigter” -, fuhr in gemäßigtem Tempo und völlig verkehrsgerecht geradewegs über die Kreuzung, die schon Sekundenbruchteile später zu einer Unfallkreuzung sich wandeln sollte. Der oben erwähnte Beschuldigte resp. Betroffene Egon Hiestermann (ich vermute mal, dass es sich um ihn handelte, denn der in Kürze sich vorschriftswidrig verhaltend werdende Verkehrsteilnehmer – ich beschrifte sein Fahrzeug mit “S” für “Schädiger” – war meiner Schätzung nach etwa Mitte siebzig, wobei ich Ihrem Schreiben und dem dort enthaltenen Geburtsdatum des Egon Hiestermann entnehme, dass dieser sogar schon über 80 Jahre alt sein muss, sich demzufolge gut gehalten hat) stand wartend auf der Gegenfahrbahn, ganz offensichtlich mit der Intention, nach links abzubiegen. Ob er dazu seinen entsprechenden Fahrtrichtungsanzeiger betätigt hatte oder nicht, kann ich nicht sagen, weil ich nicht darauf geachtet hatte; man weiß ja nie im Vorhinein, welche Details einer Alltagssituation dereinst wichtig werden könnten.
Sie können sich meinen Schreck vorstellen, als der S ebendies (nämlich Linksabbiegen) tat, obwohl der G ihn genau zu diesem Zeitpunkt passieren wollte. In der Folge der Kollision wurde das Fahrzeug des G um eine von mir nicht näher bestimmbare Differenzdistanz nach rechts versetzt und ein dem Geschehen adäquates Unfallgeräusch vernehmbar. Ich würde es etwa mit “Rums” wiedergeben wollen, zu dem sie sich zusätzlich das Splittern eines Fahrtrichtungsanzeigers vorstellen möchten.
Da ich ebenfalls verkehrsgerecht und mit mehr als ausreichendem Sicherheitsabstand hinter dem G herfuhr, gelang es mir, mein Fahrzeug (ich habe es hier mit “Z” wie “Zeuge” beschriftet) ohne Probleme rechtzeitig zum Stillstand zu bringen und im folgenden Verlauf der Geschichte durch das Aufstellen eines Warndreiecks meinen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass nicht weitere Fahrzeuge und/oder Menschen zu Schaden kamen. Ich möchte darauf aber nicht im Detail eingehen, weil sich daraus keine weiteren sachdienlichen Hinweise auf den eigentlichen Unfall entnehmen lassen dürften.
Soweit zum Unfallgeschehen. Ich möchte Ihnen des Weiteren mitteilen, dass ich dem G eine gute Besserung wünsche (was Sie vielleicht ausrichten könnten, aber nur wenn Sie ihn ohnehin sehen, weitere Bemühungen möchte ich Ihnen wirklich nicht zumuten), denn meiner Erinnerung nach hatte er oder sein Beifahrer sich an der Schulter verletzt. Erstaunt war ich allerdings, dass nach meiner Zählung mindestens drei Sanitäts- und zwei Polizeifahrzeuge sich an der Unfallstelle tummelten oder wie man das korrekt ausdrücken möchte. Mein erster Gedanke galt dabei spontan den Steuergeldern, die ich hier über Gebühr ausgegeben sah. Im Nachhinein gelangte ich aber zu der Überzeugung, dass mir – sollte ich selbst einmal in der Lage des G sein – gewiss daran läge, lieber ein Fahrzeug zu viel als eines zu wenig angefahren kommen zu sehen. Ich bitte Sie daher, meinen ersten Gedanken nicht zur Kenntnis zu nehmen und dementsprechend zu streichen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen mit meinen Ausführungen dahingehend behilflich sein, dass nun keine weiteren Fragen mehr offen sind, bin aber gerne bereit, bei deren Auftauchen erneut in die Bresche zu springen. Sie werden mich (oder meinen Briefkasten) gewiss auch ein zweites Mal zu Hause antreffen.
Mit freundlichen Grüßen in die schöne Eifel
Z
PS: Ich sehe gerade, indem ich den eben von mir verfassten Text noch einmal Korrektur lese, dass er mir ein wenig blumig geraten ist. Dies entspricht nicht seiner intendierten Funktion. Daher füge ich vorsichtshalber folgenden etwas kürzeren und – wie ich hoffe – sachgerechteren bei:
Der Schädiger (S) fuhr dem Geschädigten (G) beim Linksabbiegen in die Seite. Ich konnte die Szene gut beobachten, weil ich (Z) in einigem Abstand hinter dem Geschädigten herfuhr.
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* Für die Veröffentlichung in diesem Blog wurden alle Originalnamen, -orte und -aktenzeichen geändert.
Blogstyle vs. Twitterstyle
Das ist nicht das, was ich suche!!!
Hilfeeee…., wir schreiben morgen Schulaufgabe und ich habe keine Ahnung von einem Bericht.