Diablogbetriebsausflug! Noch bis zum Abreisetag wurde täglich die Nebelhornwebcam bemüht, aber es half alles nichts: Der Hochvogelbesteigungsplan scheiterte am Wanderwegschneebedeckungsgrad von 80%. Also nahmen wir eine tiefergelegte Route ins Visier und machten uns an die Nagelfluhkettengratwanderung. Klitzekleine Planungsunachtsamkeit: Auf Gratwanderungen stößt man so oft auf Quellen wie in der Wüste, nämlich nie. Man tut also gut daran, mehr als einen Liter Wasser pro Person mitzunehmen, insbesondere, wenn man 32 Kilometer über 17 Gipfel erwandert und gleichzeitig in die erste große Hitzewelle des Sommers hineinläuft.
Um nicht am nächsten Morgen mitten in einer Kuhherde aufzuwachen, sind wir um 7 schon wieder auf der Piste. Und eine Stunde später auf dem höchsten Gipfel der Kette, dem Hochgrat. Als Kind stand ich hier schon oben. Damals gab es noch keine Seilbahn hier hinauf. Das änderte sich Anfang der 70er. Interessant dazu die ersten zwei Sätze auf Wikipedia: “Am 4. Oktober 1963 wurde die Hochgratkette mit 5600 Hektar als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. 1971 begann [man] mit dem Bau der Gondelbahn zum Hochgrat, die 1972 eröffnet wurde.” Wie das zusammenpasst, versteht man, wenn man weiß, wem die Hochgratbahn gehört: Maria Erich Wunibald Aloysius Georg Graf von Waldburg zu Zeil und Trauchburg, in Oberschwaben sagt man: “Der Fürst”. Die Familie ist einer der größten privaten Grundbesitzer Deutschlands, hält Anteile an Zeitungen, Radio- und Fernsehsendern , eine Kette von Rehabilitationskliniken und vieles mehr. Das Privatvermögen der Familie wird auf etwa 650 Millionen Euro geschätzt. Will man wissen, woher es stammt, lohnt ein Blick in die Geschichtsbücher und auf einen prominenten Vertreter des Hauses Waldburg-Zeil: Den Bauernjörg, der seinen Namen im Bauernkrieg (1524-26) wegen seines grausamen und erbarmungslosen Durchgreifens gegen die aufständischen Bauern erhielt.
Der Rest war Trinken.
Ich korrigiere und präzisiere: Die gelben Blumen heißen “Trollbobbel” und werden oft mit Trollblumen verwechselt und manch’ Wandersfreund, der einem da oben begegnet, ist ornithologisch nicht auf der Höhe: Der Vogel mit dem brüllgelben Schnabel wurde von uns Wanderfreunden eindeutig als Alpendohle bestimmt, eine auf den ersten Blick sympathische Familie aus dem Flachland schoss sich mit der Bemerkung “Nein, das ist keine Dohle, solche kennen wir von der Nordsee, die haben keinen gelben Schnabel.” sofort selbst ins Aus.
Danke für die Korrektur. Ich war so dehydriert wie Mick Jagger aussieht. Und Keith Richards.
Die Wanderung: Bezaubernd, berauschend, bebeidenswert! Zum Thema Waldburg-Zeil und “Bauernjörg” lohnt es das Werk von Bernt Engelmann und Günter Wallraff aus dem Bücherregal zu holen. In den 70ern durfte es in keiner fortschrittlichen Büchersammlung fehlen: IHR DA OBEN – WIR DA UNTEN https://www.google.de/books/edition/Ihr_da_oben_wir_da_unten/LQIxDwAAQBAJ?hl=de&gbpv=1&printsec=frontcover
Wolfgang, ich wünsche mir einen Link zu “Trollbobbel”!
Helmut, Trollbobbel ist lediglich eine mikrolokale Bezeichnung für Trollius Europaeus, die quasi ausgestorben ist. Siehe auch die Googleanfrage: 1 Treffer. Und da auch noch falsch geschrieben: Trollbobble. Pfft.
@Wolfgang: Hannemrsdochdenkt!
@Helmut: Wenn wir schon bei Literatur sind, dann dürfen wir die maßgebliche Dissertation zu diesem Thema nicht unterschlagen – Andreas Dornheim: Adel in der bürgerlich-industrialisierten Gesellschaft. Eine sozialwissenschaftlich-historische Fallstudie über die Familie Waldburg-Zeil. Frankfurt 1993, ISBN 3-631-44859-7. Genauer, ausgewogener, lesbarer und aufschlussreicher kann man das Thema nicht aufarbeiten. Ist bei mir ausleihbar.
@Wolfgang: Genauer: Trollius Alpinae.
Das sieht ja irrsinnig schön aus! Ob ich an so einer Leiter noch Freude hätte nach Jahrzehnten des Flachlandtirolertums fast ohne Übung, da zweifle ich doch sehr, aber die Pfade längs der Grate, das macht schon heftig Fernweh …