Damals, als ich noch Computer schraubte, hatte ich eine Kundin, die war Kunstgeschichteprofessorin. Sie hatte davon gehört, dass man mit Computern ebenso fein schreiben könne wie mit einer Schreibmaschine, nur besser. Ich bestätigte dies und stellte mit ihr eine Grundausstattung zusammen.
Softwaremäßig war das kein Problem, denn es gab nur ein Betriebssystem und zwei konkurrierende Textverarbeitungen. Wir entschieden uns für MS-DOS 6.20 und WordPerfect 5.1. Die Hardwareausstattung gestaltete sich schon schwieriger, nicht weil meine Kunstgeschichteprofessorin irgendwelche besonderen Konstellationen bevorzugte, sondern weil ihr der Monitor immer zu hoch oder zu niedrig stand. Ich besorgte daher aus dubiosen Kanälen einen Monitorhalter. Weil Monitore damals noch schwer und tief waren, waren solche Halter recht stabil ausgelegt, wogen etwa gleich viel wie der Monitor selbst und waren dermaßen groß, dass sie praktisch auf keinen Schreibtisch passten. So auch nicht auf den meiner Kunstgeschichteprofessorin. Jedenfalls nicht zusammen mit der Tastatur. Ich baute das Monstrum also wieder ab. Seither gammelt es im Keller vor sich hin.
Stattdessen verfiel ich auf die mir aus Studententagen geläufige Idee des Bücherstapels. Das war zwar semiprofessionell, hatte aber den Vorteil, dass es funktionierte. Das eigentliche Drama war die Auswahl der Bücher. Nicht, dass es daran gemangelt hätte. Selbstredend waren alle vier Wände mit Regalen versehen, die kreuz und quer liegende Fachliteratur aufnahmen. Zudem fanden sich Stapel von Zeitschriften, Katalogen, Diplomarbeiten und weiteren Büchern auf dem Boden, dem Beistelltischchen, dem Sofa und allen im Arbeitszimmer vorhandenen Stühlen. Nur: Welche davon könnte man nehmen, die a. momentan nicht benötigt würden und b. in der Feinabstimmung der Computerhöhendistanz ihre volle Funktionalität beweisen konnten? Dass man vom Kunstgeschichtebändelupfen einen Muskelkater kriegen kann, ist eine Erfahrung, auf die ich seither immer wieder gerne verzichte.
Jedenfalls gelang es uns nach mehreren Stunden, die richtige Balance aus Buchmillimetern und wissenschaftlichen Notwendigkeiten zu finden, korrigierten all das noch einmal, als wir merkten, dass auch die Tastatur nicht die richtige Höhe hatte und stellten zu guter Letzt auch noch den Stuhl auf die richtige Höhe – ein Arbeitsschritt, der mir gut und gern drei Stunden Kunstgeschichtebändelupfen und einen veritablen Kunstgeschichtebändelupfmuskelkater erspart hätte.
Wenig später erhielt der Gemahl der Kunstgeschichteprofessorin – übrigens ebenfalls ein Kunstgeschichteprofessor – einen Ruf nach Berlin, was dazu führte, dass auch meine Kunstgeschichteprofessorin eines schönen Tages in die Hauptstadt zog. Und weil dort ein eklatanter Mangel an Computerspezialisten herrschte, ließ sie mich einfliegen, um ihr Computergedöns anzustöpseln. Damals lernte ich, warum man bei heißem Wetter kein Jacket trägt, dass es in Berlin Straßen gibt, deren Hausnummern verlost werden, und dass man vom Kunstgeschichtebändelupfen auch zweimal im Leben einen Muskelkater kriegen kann.
Über Kunstgeschichte aber hatte ich rein gar nichts gelernt.
Das habe ich heute bei der Lektüre des überaus vergnüglichen Beitrags „Wunderbare Jahre. Streifzüge durch die Kunstgeschichte“ von Alexandra Tobor aka @silenttiffy nachgeholt.
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Disclaimer: Ich habe mal mit @silenttiffy am gleichen Abend beim Jour Fitz gelesen und fand mich von ihrem Migrationsepos bestens unterhalten. Zudem plane ich, sie zu unserem kunstgeschichtlichen Stammtisch „Das Letz niest“ einzuladen. Das weiß sie aber noch nicht. Also: Pssst.