Kid-Cuts (64) – Muss ja auch mal gesagt sein

Drehe ich doch gestern auf der Suche nach Schmierpapier einen herumliegenden Zettel um und entdecke das:

Jetzt weiß ich endlich, was der Sohnemann (6) von mir hält. Wenigstens ist er ehrlich. Und ich werde mich künftig tunlichst hüten, einfach so rumliegende Zettel umzudrehen.

Der ganz normale Dietl-Wahnsinn

Alles haben wir gekuckt von ihm. Und uns mit zunehmendem Gewinn in seinem Werk nach hinten durchgearbeitet. Klar, zuerst und immer wieder “Kir Royal”. Dann den “Monaco Franze” und danach die “Münchner Geschichten”. Und dann erst vergangene Woche und unglaublicherweise zum ersten Mal “Der ganz normale Wahnsinn”, eine Serie, die nichts weniger ist, als es der Titel verspricht. Zwölf Folgen aus dem Jahr 1979 über den (natürlich) scheiternden Journalisten und Autor Maximilian Glanz auf der Suche nach dem Glück, einer bezahlbaren Wohnung in München und einer funktionierenden Beziehung.

“Woran es liegt, dass der Einzelne sich nicht wohl fühlt, obwohl es uns allen doch so gut geht” heißt das Buch, das dieser Maximilian Glanz schreiben will (und es tut, aber kurz nach Druck und Verlagskonkurs umgehend wieder eingestampft wird). Und alle, aber auch alle Probleme (nur ohne Handys) die diesen neurotischen Glanz 1979 umtreiben, die gibt es heute noch genau so. Derart frech und kompromisslos ist das inszeniert (mitsamt einer völlig wahnsinnigen Abschluss-Folge), dass man da heute nur noch staunen kann. 36 Jahre später! Wie nennt man das noch mal? Ach ja. Visionär. Das war Helmut Dietl. Heute Mittag ist er gestorben. Er hat das deutsche Fernsehen um so vieles sehenswerter gemacht.

Kid-Cuts (62) – Drohungen

 

Das schöne an kindlichen Drohungen ist ja, dass sie mit einer kategorischen Entschiedenheit ausgesprochen werden, wie sie im späteren Leben nie wieder erreicht werden kann. Ein hingerotztes “Bösa Papa, Mori schbilt ni mer mit dir”, natürlich in Versalien, weil die Erstklässler Kleinbuchstaben zwar kennen, aber sich weigern, diese anzuwenden, ein solches Schreckensszenario also ist im kindlichen begrenzten Zeithorizont noch genau so gemeint, sprich fünf Minuten lang.

Der Kleine hat nämlich bei der Playmobil-Burgbelagerung verloren. Grundregel ist: Wenn der gegnerische König umfällt, hat man gewonnen. Mit meinem Katapult habe ich seinen König (samt dessen halbwüchsigem Sohn) mit einem so genialen wie vernichtenden Schlag aus seinem eigentlich narrensicheren Turmversteck rausgeblasen. Das hätte der Kleine nicht erwartet – entsprechend groß war erst das Entsetzen und dann das Geschrei. Wenige Minuten später kam glasklar formuliert die Absage an künftige Spieltermine.

Als Botin schleppte die größere Schwester das Drohdokument heran.

Ich versuchte zu beschwichtigen.

Die Antwort kam prompt und eindeutig.

Ich machte mich zum Narren.

Die Antwort war kryptisch. “Ja ne nur zufort”. Vermutlich eine Art Einknicken unter klaren Konditionen.

Danach erniedrigte ich mich noch weiter.

Einknicken komplett. Forderung “Westan nur jetzt” nur für Insider verständlich. “Westan” heißt vermutlich Western-Stadt-Spielen.

Trottelwerdung am Ende vollendet. Und um dem die Krone aufzusetzen, fügte die Große noch den Namen des Trottels hinzu. Papa.

Kid-Cuts (60) – Star-Wars-Probleme

Lange habe ich mich gefragt: Wann ist es soweit, dass der Jüngste dem Star-Wars-Wahn verfällt? Die Antwort: Jetzt. Und das bringt massive Probleme mit sich. Zu Halloween ein Darth-Vader-Kostüm samt Papp-Lichtschwert zu basteln, war ja noch einfach. Auch erste Hilfestellungen zur besseren Bewältigung des Ti-Eitsch am Ende von „Darth“ wurden gerne angenommen. Für den verfluchten Todesstern-Geburtsttagskuchen haben wir am Geburtstagsvorabend stundenlang die weißen Nonpareils von den andersfarbigen getrennt, Glasur geschmolzen und Puderzucker zu einer Eismasse verrührt. Wobei ein auf einer Eiswüste landender Todesstern ja völlig idiotisch ist. Aber sei’s drum.

In Erklärungsnöte kommt aber, wer versucht, einem Sechsjährigen die Star-Wars-Geschichte in Kurzform zu vermitteln. Gut und Böse, klar. Darth Vader der Vater von Luke, geht auch noch. Weshalb die Teile 4 bis 6 vor den Teilen 1 bis 3 gedreht wurden, muss man nicht erwähnen, das wäre zu verwirrend. Dass aber in einem Geschenk ein Jedi Interceptor mit Anakin Skywalker drin war, führt zur Katastrophe: Sohnemann nennt den hartnäckig Luke. Aber wie soll man ihm erklären, dass Anakin eigentlich der junge Darth Vader ist/war. Wir es also mit einer Person nicht nur in zwei verschiedenen Alterszuständen, sondern als völlig andersartige Wesen zu tun haben. Soll ich jetzt kackdreist weiterlügen mit meiner so eilends ersonnenen wie hanebüchenen Lösung, dass Anakin der Sohn von Luke ist (während es sich ja im Film genau andersrum verhält). Wie soll ein Kind das verstehen? Wie soll ein Erwachsener das verstehen? George Lucas, hilf!

Our house

Jetzt sind wir ja quasi seit einem halben Jahr Häuslesbesitzer. Wenn man es mit dem Wort “Besitz” nicht so genau nimmt. Denn das Haus, in dem wir seit Mai wohnen, gehört nicht uns, sondern dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, also Deutschland – somit euch allen! Und wir dürfen da drin wohnen. Für weitere sechs Monate.

Es ist auch nicht irgendein Haus, sondern das erste Effizienzhaus Plus in Bundeseigentum. Als solches soll es über seine Photovoltaik auf dem Dach und in der Fassade mehr Strom produzieren als wir täglich verbrauchen – und mit einen Elektromobil und zwei Pedelecs verfahren können. Ganz schön ambitioniert das Ganze! Und ganz schön futuristisch. Wie ein vom Himmel gefallener Kubus sieht es aus, schön weiß und schwarz, an zwei Wänden ganzflächig verglast, ist es in den Vorgarten der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in der Berliner Fasanenstraße geplumpst. Genau zwischen ein paar Blutbuchen, schwedische Mehlbeeren und die Universität der Künste.

Einen besseren Eindruck vermittelt vielleicht dieses kleine Filmchen. Weil es eigentlich zu schade ist, die Sachen, die da so passieren ganz für sich zu behalten, haben wir zur Halbzeit hier ein kleines Blog eingerichtet (auch in der Blogroll rechts unten), wo wir dokumentieren, was im “klügsten Haus Berlins” (wahlweise auch “Haus der Zukunft”) so alles passiert. Was sich bewährt – und was nicht. Dass Räume ohne Lichtschalter und nur mit Bewegungsmeldern ausgestattet hoffentlich nicht der Standard der Zukunft sind, das können wir aber bereits jetzt sagen. Für einen anständigen Schwaben gehört es sich nicht, dass man ein Zimmer verlässt und munter vor sich hin trällert: “Pfeif drauf. Licht geht eh in einer Minute aus.” Da kann die LED-Beleuchtung noch so wenig Strom verbrauchen…

Kid-Cuts (57) – Trugschluss

Nach dem Besuch des Roncalli Weihnachstcircus, bei dem ein Dutzend jugendlicher asiatischer Artisten (vom Kind konsequent „Atheisten“ genannt) schier Unglaubliches vollbrachte und sich nach dem Ende der letzten Nummer im Kollektiv schwarze Sonnenbrillen aufsetzte, kramt das Kind beim Abendessen auch eine Sonnenbrille raus und packt sich diese auf Nase.
Eltern: „Hast du die jetzt auf, weil die Artisten sich auch eine aufgesetzt haben?“
Kind: „Nein.“
Eltern: „Warum dann?“
Kind: „Weil’s cool aussieht.“

Walter und ich

Walter Jens habe ich nur einmal besucht. Damals, Anfang der Nuller Jahre, als Reporter für den Südwestrundfunk in Tübingen sollte eine vom Meister selbst gelesene Seite einer neuen Buchveröffentlichung akustisch eingefangen werden. Statt eines Übertragungswagens schickte man mich. Die Terminfindung war schwierig, weil Jens dauernd unterwegs. Mit einem klobigen DAT-Recorder im Rucksack quälte ich mich den Berg hoch, wo Jens in schönster Hanglage weniger wohnte denn residierte. Die zauberhafte Inge Jens hieß mich herzlich willkommen, im Obergeschoss empfing mich Walter Jens. Nach einer sehr freundlichen Fragerunde (Was machen Sie so? Ah ja, sehr interessant) wurde von Jens der Aufnahmezeitpunkt bestimmt. Hektisch kramte ich den DAT-Recorder heraus, stöpselte ihn zusammen und pegelte die Aufnahme aus. Walter Jens begann nach meinem OK zu lesen, doch nach wenigen Sekunden dämmerte mir: Da ist was falsch, der Recorder recordete nicht, Jens las weiter (fehlerlos natürlich), ich schwitzte und unterbrach ihn ungerne nach 30 Sekunden mit devotem Geräusper und einem:
“Ehm, Herr Jens, ich glaube wir haben ein Problem.”
Jens: “Das schätze ich gar nicht, Herr Brenner.”
Ich: “Wir müssen noch einmal anfangen, denke ich.”
Die Stimmung im Raum verschlechterte sich rapide. Mein folgendes:
“So, jetzt können wir!” konterte er mit einem scharfen:

“Sind Sie sich sicher, Herr Brenner?”

und dem stechenden Blick eines Mannes, der keine 30 Sekunden seines Lebens zu verschwenden hatte.
Ich war mir sicher. Die Aufnahme klappte. Jens las (natürlich fehlerfrei) seinen Text runter und komplimentierte mich nicht unfreundlich aber doch sehr bestimmt aus seinen Hallen hinaus. Die Fahrradfahrt den Berg hinab trocknete meinen üppig fließenden Schweiß.

Den Tonfetzen “Sind Sie sich sicher, Herr Brenner?” installierte ich daraufhin bei meinem PC als Start-up-Sound, so dass die Stimme von Walter Jens fortan beim Hochfahren des Geräts nicht nur mein Tun, sondern fast das halbe Leben hinterfragte.
Es hat mir, glaube ich, nicht geschadet.

Kid-Cuts (51) – Botschaften, mysteriöse

Man hat das ja lange und hart studiert: Sinn und Bedeutung aus noch so aberwitzigen Kombinationen von Wörtern zu konstruieren. Etwas reinzulesen, was da vielleicht gar nicht steht. Solange die Kinder nur gesprochen haben, war das anfangs anfangs immer noch recht drollig. Später kam der Fremdeinfluss , etwa hier nachzulesen, dazu. Schön und gut, da wurde es dann etwas zotiger. Jetzt aber, mit der wachsenden Fähigkeit zur Verschriftlichung finden merkwürdige Dinge statt. Bedeutungen verschieben und gabeln sich, Wort-Paare geben Rätsel auf: Was will uns das Kind sagen? Und vor allem: Was hat es mit dieser – ja nicht völlig unpassenden – Wahl des Materials, auf dem geschrieben wird, auf sich? Oh Schleiermacher hilf! Oder vielleicht auch Freud. Egal. Irgendjemand.

Pfanne her!


Fragen über Fragen wirft dieser Hilferuf unserer Nachbarn auf: Warum lassen die aus Versehen eine Bratpfanne im Treppenhaus liegen? Weshalb fällt ihnen das erst circa zwei Wochen später auf? Wer nimmt eine gebrauchte Bratpfanne mit, die einfach so im Treppenhaus rumliegt? Und wird die Pfanne ihren Weg wieder zurückfinden? Wir sind gespannt!