Kino in der Liste (67)


More than honey (D,CH,AU 2012)

  • Plot in a nutshell: Die Bienen sterben. Ein Mann will wissen, warum.
  • Eine Bienendoku also.
  • Bitte nicht sofort losgähnen.
  • Denn hier gibt es Spektakuläres zu sehen.
  • Und nicht weniges Spektakuläres zu erfahren.
  • Mit Liebe und Hingae gemacht von einem, dem die Imkerei in der DNA liegt.
  • Ob industrielle Honigfarmer und Zombiebienenzüchter in den USA oder Freaks in der Schweiz: Lukas Imhoof verurteilt nicht.
  • Und die Makrotechnik und die Hochgeschwindigkeitsaufnahmen sind, wie gesagt, schwer beeindruckend.
  • Fazit: Die Bienen, das Leben, der Tod. Pflichtdoku 2012
  • PS: Die mittelprächtige Wertung unten ergibt sich daraus, dass hier nichts Artsyfartsy und auch wenig zum Lachen ist, was nicht heißt, dass der Film nicht humorvoll wäre. Sprich: Eigentlich müsste da 8,8 stehen!

Neu im Regal (27)

Wolf Haas: Verteidigung der Missionarsstellung, Hamburg (Hoffmann und Campe) 2012. 239 Seiten, 19 Euro 90.

Lieber Wolf Haas,

als großer Fan Ihrer Erzählkunst (hier Lobhudeleien über die Brenner-Romane und „Das Wetter vor 15 Jahren” einfügen) hat mich Ihr neuer Roman doch etwas enttäuscht. Dass Sie das draufhaben, große Bögen zu spannen, klug und selbstreflexiv zu erzählen und Sprach-Operationen quasi am offenen Herzen durchzuführen (Scheiß-Metapher, nochmal überlegen, ob das so drin bleiben soll), wissen wir doch längst. Aber musste das diesmal (hier Kurzabriss rein von der Benjamin Lee Baumgartner-Liebesgeschichte und dem Rinderwahn, der Schweine- und Vogelgrippe, der Vatersuche, dem ganzen Typographie-Gefunze, den chinesischen Schriftzeichen etc., evt. den ganzen Klumpatsch die Natti schreiben lassen?) gar so ausgestellt werden? Das hat ging mir doch etwas auf den Senkel (zu flapsig? die Nerven vielleicht besser? hm…). Aber sonst: Schon ganz ok das Buch.

(noch schleimige Grußfloskel rein, ergebenst, oder so)
Wolfgang Brenner

Kino in der Liste (66)


Die Kirche bleibt im Dorf (D 2012)

  • Plot in a nutshell: Eine Oma stirbt, zwei Dörfer streiten, ein Amerikaner hegt dubiose Pläne.
  • Bayern kann Komödie (siehe Marcus H. Rosenmüller).
  • Warum eigentlich nicht Schwaben?
  • Dachte sich die in Bremen (!) geborene, in Pforzheim (!!) aufgewachsene und jetzt in Hamburg (!!!) lebende Ulrike Grote.
  • Und drehte im Badischen (!!!!) diesen Schwabenkomödienversuch.
  • Dafür packte sie die Brechstange aus.
  • Kaum ein Satz ohne “Scheißdreck”-Gefluche.
  • Kaum eine Einstellung ohne hysterische Traktorfahrerei.
  • Kaum eine Sequenz ohne nervigen Tuba-Blues-Soundtrack.
  • Fazit: Hysterischer Dorfschwank, der im Bauerntheater besser aufgehoben gewesen wäre. Oder im Fernsehen. Huch, da läuft das ja auch bald.

Public Viewing

 

Wir wollen eine alte Tradition aufleben lassen und den PVA-TÜV spielen – sprich: Public Viewing-Orte besuchen und drüber reden. Das haben wir hier und hier vor sechs Jahren schon mal gemacht. Und es hat uns eine Abmahnung eingebracht. Mittlerweile haben wir viel kommen und gehen sehen, das 11-Freunde-Quartier in Berlin wurde zu einer Riesenveranstaltung und die Fanmeile am Brandenburger Tor wird mittlerweile gar nicht mehr abgebaut – so kommt es einem zumindest vor. Der Trend geht deshalb wieder zu kleinen, schmutzigen Lösungen. Wie gestern in der Yes-Bar in Prenzlauer Berg. Berlin liegt da noch (oder wieder) in Trümmern. Und sei es nur, um die Gehsteige schön plan zu machen, dass die Touristen nicht mehr drüber stolpern. Die Bildschirme waren zwar klein, der Ball kaum zu sehen, die Stimmung aber spitze, man saß auf Bierbänken und marodem Stuhlwerk, der Wirt höchstselbst brachte die Biere vorbei und aus den Pflastersteinen konnte man sich prima Beinablagen basteln.
Wertung: 4/5

Journalismus (Grundlagen)

Ja. Der Journalismus ist in Zeiten des Internet auf den Hund gekommen. Mittlerweile haben das selbst PR-Agenturen erkannt und geben ihren wild herumdilettierenden Presse-Kontakten diesen Tipp für eine gelungene Berichterstattung an die Hand:

“Um Interviews zu führen, müssen Sie den Film vorab gesehen haben. Bitte nehmen Sie dazu folgende Pressevorführungen war:” (sic)

Vielen Dank für den Hinweis. Dafür spendiere ich auch ganz großzügig ein “h”.

Kino in der Liste (65)


 

 

 

 

 

 

 

 

Russendisko (D 2012)

  • Plot in a nutshell: Drei Russen machen rüber.
  • Dies ist ein Film mit Matthias Schweighöfer.
  • Er ist für Matthias Schweighöfer gemacht.
  • Matthias Schweighöfer zieht sich darin aus.
  • Das ist eigentlich die Hauptsache.
  • Ansonsten wurde erst gar nicht versucht, aus den Anekdoten der Buchvorlage eine Geschichte zu stricken.
  • Dafür gibt es aber Matthias Schweighöfer zu sehen.
  • Und russische Partymucke zu hören.
  • Aufgelegt wird diese von Wladimir Kaminer Matthias Schweighöfer.
  • Fazit: Ein Film mit Matthias Schweighöfer.

4 oder 1?

Heute wird unser Buch “Fast nichts über das Nichts – Ein Scheitern in Briefen” vier Jahre alt – oder eins. Je nachdem, wie man das Alter eines an einem Schalttag geborenen Buches zählen möchte. Ein Grund zu feiern, finden wir. Und von den üppigen Tantiemen, die der Verlag jedes Jahr überweist, und die Ankündigung der Überweisung nur noch per E-Mail schickt, weil die Portogebühren den Tantiemenbetrag um 20 Prozent schmälern würden, kaufen wir uns jedes Jahr eine Flasche Mineralwasser, deren Inhalt wir maßlos in uns hineinschütten, während wir zwei selbstgebastelte Konfetti in die Luft werden.

Auf Amazon sind wir mit mittlerweile auf dem Listenplatz 2.993.567 gelandet. Und wir befürchten, noch heute die Drei-Millionen-Schallmauer zu durchbrechen. Das hat unser kleines Büchlein aber gar nicht verdient, finden wir. Denn nach vier Jahren ist es immer noch so spannend, ingeniös und überraschend wie am ersten Tag. Und mit Frau Netzinger haben wir einen Charakter geschaffen, der Madame Bovary in nichts nachsteht, finden wir. Und mit dem Nichtsblog haben wir ein Blog am Laufen, das auch nicht so übel ist. Finden wir. Und ihr?

Buchigkeit

Ob “Buchigkeit” ein schönes Wort ist – man könnte darüber streiten. Vielleicht wäre auch “Buchness” oder “Buchheit” eine Möglichkeit gewesen. Friedrich Forssman, seines Zeichens Buchgestalter, spricht aber von “mehr ,Buchigkeit'”, wenn er die Motivation für die jüngste Neugestaltung von Reclams Universal-Bibliothek beschreibt. Wie das jetzt aussieht, kann man sich hier anschauen. Manche Dinge ändern sich also doch!

Kid-Cuts (47) – Toilettendiskurs

Die Situation:

Vater versucht zu arbeiten. Die Kinder spielen – im Badezimmer. Als sich der Anteil der Wörter „Kacka”, „Pipi” und „Pups” an der Unterhaltung der beiden Drei- und Fünfjährigen von den sonst üblichen 35 auf 75 Prozent erhöht, wird Vater aufmerksam und schaltet das Aufnahmegerät ein. Ein Protokoll.

Der Kleine: Du Kacka!
Die Große: Du Piesel!
Der Kleine: Ich kacker und puller auf dich.
Die Große: Nein ICH kacker und puller auf dich.
Der Kleine: Nein ich.
Die Große: Nein ich.
Der Kleine: Du Pups.
Die Große: Nein, ich bin kein Pups.
Der Kleine: Pupkacka!
Die Große: Bin kein Pupkacka.
Der Kleine: Du Pups.
Die Große: Nein.
Der Kleine: Du hast jetzt Kokosmasokearnprioa.
Die Große: Was?
Der Kleine: Du Pups.

Man merkt, in welche Richtung dieser Dialog geht. Nach zwei bis drei Stunden nimmt die Unterhaltung jedoch eine spektakuläre Wende. Denn anstatt zu antworten, verlegt sich die Große, und in dieser Art der Gesprächsführung bereits sehr Beschlagene, auf eine Art Zermürbungstaktik und intoniert mit leisem Singsang ihr Kleinkindmantra:

Die Große im Hintergrund: Du Pups, du Pups, du Pups, du Pups…

Der Kleine ist verblüfft über diese Wendung, weiß zunächst nicht, wie er kontern soll. Probiert es zunächst mit einem weiteren Hinbellen von „Du Pups”, und „Du Kacka”, was die Große aber ignoriert und weitermacht mit „Du Pups, du Pups, du Pups, du Pups…”

Als auch diverse Äußerungen des Wortes „Nein” in unterschiedlichsten sprachlichen Schattierungen nichts bringen, greift der Kleine in höchster Verzweiflung zu seiner mächtigsten Waffe: der Lautstärke. Die setzt er aber bereits gewitzt ein. Und statt einzelne Brüller auszustoßen, weiß er um die Wirkmächtigkeit einer Sirene. Ein anfangs kaum hörbares „Nein” lässt er gekonnt zu einem gellenden Schrei anschwellen. „NEIN!”

Die Große weiß, wann ihre Mittel aufgebraucht sind und man eine Schlacht verloren hat. Deshalb muss Papa ran und die Große schützt ein körperliches Bedürfnis vor, um den Kleinen vom Thron zu stoßen – auf dem sitzt er nämlich bereits seit geraumer Zeit:

„Ich muss ganz dringend pullern”, sagt sie. Aber die Toilette ist besetzt. Wäre sie drauf und der Kleine müsste mal: Kein Problem. Er könnte ja noch aufs Töpfchen. Andersrum geht das aber auf keinen Fall. Weshalb große Ratlosigkeit angesagt ist. Den Kleinen anzutreiben wäre aussichtslos. Ich spiele mit dem Gedanken, die Große ins Waschbecken zu setzen. Verwerfe das aber sofort wieder aus mehreren Gründen. Und plötzlich geht alles ganz schnell. Der Kleine steigt mit großem Grinsen vom Thron und zeigt voller Stolz auf seine heldenhafte Verrichtung: einen Riesenhaufen, den er mit folgenden rätselhaften Worten beschreibt, nach denen alle völlig fassungslos im Raum stehen und diese kleine Geschichte ihr Ende findet.

Er sagt: „Man sieht nur die Nase, die Augen und Ohren.”